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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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beobachtet«, sagte sie kühl. Sie ließ eine Pause entstehen und heftete den Blick auf Taylor.
    »Ist Ihnen bei Ihren Berechnungen nichts aufgefallen, WO?«
    Taylor strich sich nervös den Schnurrbart. Mir fiel wieder auf, wie sehr er sich durch Jennifer einschüchtern ließ.
    »Etwas stimmt nicht«, pflichtete er ihr bei. »Aber ich bin noch nicht dahinter gekommen, was.« Er wandte sich jetzt mir zu. »Ich fürchte, Sir, unsere Überlegungen stehen noch auf zu wackligen Beinen, was die Datengrundlage betrifft.«
    Jennifer setzte ein gewinnendes Grinsen auf.
    »Sie brauchen dazu weder Daten noch detaillierte Berechnungen«, sagte sie. »Eine einfache Überlegung genügt.«
    Ich nickte ihr aufmunternd zu.
    »Wenn die Dunkelwolke sämtliche Strahlung der Umgebung absorbiert«, führte sie aus, »dann muss sie sich so aufheizen, dass sie selbst zu glühen beginnt. Wir würden uns in einem Hochofen aus ionisiertem Plasma befinden. Das ist aber offensichtlich nicht der Fall.«
    Taylor beeilte sich, ihr zu antworten. »Das ist richtig«, sagte er. »Die Wolke scheint sogar die kosmische Hintergrundstrahlung zu schlucken. Es ist um einige hundertstel Grad kälter hier als im gewöhnlichen Vakuum.«
    »Aber wie kann das sein?«, wimmerte Lambert.
    »Vielleicht hat die Wolke äußere Regionen, die sehr heiß sind«, meinte Jennifer, »und die wiederum die inneren abschirmen.«
    »Das hätten wir von außerhalb gesehen«, wandte ich ein. »Das alles sind Spekulationen, die zu nichts führen.«
    Taylor und Lambert sahen mich zustimmend an, während Jennifer skeptisch den Kopf wiegte.
     
     
     
    Der Chronist
     
    Die Geschichte ist eine Geschichte von Umwegen, von Zufallsfunden und unbeabsichtigten Entdeckungen, von Hilfskonstruktionen und Arbeitshypothesen, die den Nachgeborenen oft unbegreiflich grotesk vorkommen. Die Entdeckung Amerikas ist dafür nur das prominenteste Beispiel. Da segelte einer nach Westen, um nach Osten zu gelangen, landete an einem Kontinent, von dessen Existenz er zuvor nichts wusste, und begriff bis an sein Ende nicht, wofür einmal sein Name stehen würde. Die Kugelgestalt der Erde, die er nach der Auffassung mancher Exegeten damit erwiesen hatte, war ihm dagegen längst eine Selbstverständlichkeit gewesen. Er hätte nicht in See stechen können, ohne in diesem Punkt Gewissheit zu haben. Übrigens war der Tatbestand, dass die Erde keine Scheibe ist, auch in Alexandria kein sonderlich gehütetes Geheimnis. Es verbietet sich den nachkommenden Generationen jede Häme darüber, wie und weshalb ein solches Wissen zwischenzeitlich wieder in Vergessenheit hatte geraten können. Das sind Fallstricke und historische Hindernisläufe, zu denen der Weltgeist gezwungen ist, um an sein Ziel zu gelangen. Auch Alexander war nicht nach Osten gezogen, um Indien zu erkunden, auch wenn manche Chronisten es so sehen und sein Unternehmen darstellen, als sei es von einer Forschungsexpedition gewesen. Zwar erweiterte der Alexanderzug die griechischen Kenntnisse der asiatischen Geographie, Ethnographie, Zoologie und Botanik außerordentlich, aber dieser Wissenszuwachs war nicht die treibende Kraft gewesen. Alexander wollte nicht den Indus und den Hindukusch entdecken, er wollte die Grenzen seines Reiches mit denen der Oikumene in eins setzen. Am Hyphasis musste er sich von seinen meuternden Mannschaften darüber belehren lassen, dass das nicht ging. Der Indus ist auch nicht, wie man zwischenzeitlich glaubte, der Oberlauf des Nils, und der Monsun ist nicht, wie eine weitere dieser Überbrückungshypothesen lautete, für die Nilschwelle verantwortlich, auch wenn es letztlich dieselben Passatregen sind, die die Nilschwelle und den Monsun herbeiführen. Ganze Folianten würde es erfordern, die Zwischenschritte und Irrwege nachzuzeichnen, die für die Ersetzung des ptolemäischen durch das heliozentrische und schließlich das moderne Weltbild nötig waren. Und die wenigsten davon verdankten sich direkter Einsichten. Die Geschichte der Philosophie quillt über von ausgesuchten Absurditäten wie Leibniz prästabilierter Harmonie, die dem Nachgeborenen nicht mehr begreiflich zu machen sind. Für Leibniz war es die ins Extrem getriebene Dualität von Körper und Geist, die lieber den Umweg über einen Gott nahm, als sich zu der Vorstellung durchzuringen, der Geist könne unmittelbar auf den Körper einwirken. Immer wieder kam in der Geschichte Ockhams Messer zum Einsatz, das solche wildsprießende Theorien zurückschnitt und der

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