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Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Titel: Music from Big Pink: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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fetten Katzenwelses im Dunkel verschwinden. Ich fühlte mich gut. Dabei hatte ich einen richtig beschissenen Morgen hinter mir.
    Ein Typ namens Donnie, so ein reiches New Yorker Bürschchen, das ich kannte, hatte angerufen, um zu fragen, ob ich ihm etwas Brown Sugar vorbeibringen könne. Er klang dabei total fertig, als wäre er seit Tagen auf den Beinen. Er hatte gelacht, während »Chest Fever« im Hintergrund lief. Auch er hatte von irgendwem ein Album bekommen – obwohl die Platte noch gar nicht draußen war – und spielte es ebenfalls rauf und runter.
    Es wurde zur Routine in diesem Sommer: Wer morgens als Erster aufstand, in der Regel ich, manchmal Alex, hin und wieder auch mal Skye oder Susie, legte die Platte bei voller Lautstärke auf – meistens zuerst die zweite Seite. Wochenlang wachte ich jeden Tag so auf. Ich lag im Bett – allein, manchmal mit Skye –, während »We Can Talk« die Bodendielen zum Schwingen brachte und die Sonne durch meine dünnen grünen Vorhänge schien und auf meiner Martin glitzerte. Allmählich, je weiter der Sommer fortschritt und je mehr Kunden ich besuchte, wurde mir bewusst, dass jeder hier in Woodstock, der eine Vorabkopie des Albums besaß, dem gleichen Ritual folgte.
    Das Wetter wurde noch besser, in Woodstock kamen immer mehr Menschen an, und Heroin galt zunehmend als der heiße Scheiß. Ich drehte regelmäßig meine Runden. Den kleinen Honigtopf hatte ich längst ausrangiert. Gelegentlich bewahrte ich bis zu einer Viertelunze in dem Hohlraum unter meinem Kleiderschrank auf, wo ich den Stoff neben zusammengerollten Geldscheinen, Pillen, Gras, Koks und Alex’ Knarre versteckte. Ich selbst bediente mich nicht sonderlich häufig an diesem Vorrat, rauchte und schniefte nur hin und wieder etwas davon. Seit dem ersten Mal mit meinem Dad hatte ich mir keinen Schuss mehr gesetzt. Alle möglichen Leute in unserem Bekanntenkreis konsumierten inzwischen Heroin. Levon zum Beispiel begegnete ich inzwischen häufiger anlässlich geschäftlicher Transaktionen, als es gesund für ihn sein konnte. Ich war mir jedoch ziemlich sicher, dass er nicht zur Nadel griff.
    Nachschub war kein Problem, die Jungs von der 10 th Avenue karrten mehr und mehr von dem Zeug in die Stadt. Auch bei ihnen boomte das Geschäft. In dem dunklen, nach Pisse stinkenden Treppenhaus begegnete man immer häufiger durchgeknallten, nervös wirkenden Gestalten in ausgefransten, fleckigen olivgrünen Armee-Parkas, auf deren Ärmel und Rücken exotische Ortsnamen wie Khe Sanh oder Ia-Drang gestickt waren. Denen ging man besser aus dem Weg.
    Donnie hatte also angerufen, und ein paar Stunden danach fuhr ich durch den Wald die Zufahrt hinauf. Was sich ziemlich hinzog, da sich das riesige Haus mit seinen Basaltmauern, das einem Freund von Donnies Eltern gehörte – Donnies Vater war eine große Nummer an der Madison Avenue –, auf einem achtzig Hektar großen Anwesen befand. Auf dem Rasen vor dem Haus lag ein Hippie-Pärchen. Die beiden schmusten und diskutierten miteinander, und der Typ hatte keine Hose an. Die Haustür stand offen, aus dem Inneren schallte laute Musik.
    Der Flur führte in einen großen, hallenartigen Wohnraum – überall Holz und Stein, zum Garten raus gab es eine ganze Wand nur mit Fenstern. Die Vorhänge waren zugezogen, und es war dunkel. Alles war voller Leute, die Party, die am Vorabend begonnen hatte, lief noch immer auf vollen Touren. Ein Projektor warf einen Film auf ein an die Wand gehängtes Bettlaken. Die Musik war laut, gerade dröhnte »White Rabbit« von Jefferson Airplane aus den Boxen. Ich nahm die Sonnenbrille ab und versuchte im Halbdunkel, Donnie zu entdecken, als ein Mädchen auf mich zukam: blond, hübsch, nackt. Auf ihren Brüsten – überraschend üppig für ihre Statur, mit großen dunklen Nippeln – und ihrem Bauch glitzerte etwas Glitschiges, Klebriges. Es sah nicht wie Sperma aus.
    »Willst du auch etwas?«, fragte sie mich, und ich sah jetzt, dass sie einen dieser Plastik-Honigbären in der Hand hielt.
    »Nein, danke. Hast du Donnie gesehen?«
    »Du möchtest nichts?«, sagte sie enttäuscht und überrascht, während sie sich noch eine Handvoll auf den Bauch schmierte. Dabei flitzten ihre Augäpfel hin und her, als wollten sie aus den Höhlen springen.
    »Nein, Süße. Hast du Donnie gesehen? Donn-nie? « Ich sprach extra laut, um Grace Slicks »Feed your Head«- Geheul zu übertönen, redete mit ihr wie mit einem zurückgebliebenen Kind. Fast eine Minute lang musterte

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