Music from Big Pink: Roman (German Edition)
ihr Album nennen, nach dem alten pinkfarbenen Haus an der Stoll Road, in dem sie es geschrieben hatten.
Im Kühlschrank waren eine Menge Bierdosen, aber keine Eier. Ich rannte wieder nach oben. »Ich fahr mal eben zum Laden«, sagte ich, während ich mir die Jeans anzog und in meine Sandalen schlüpfte.
»Okay«, lächelte sie mich an, die Laken bis unters Kinn gezogen.
»Möchtest du irgendwas Bestimmtes?«
»Essen. Ganz viel zu essen.«
Ich lachte und ging Richtung Tür. Dann drehte ich mich noch einmal um. »Du bist doch noch hier, wenn ich zurückkomme?«
Ich fuhr runter nach Woodstock. Alles sah anders aus. Es war wie in einem Film. Die Menschen schienen freundlicher, liebenswürdiger zu sein. Als ich die Straße überqueren wollte, fiel mein Blick auf einen dort geparkten Kombi. Am Steuer saß Dylan, die Augen halb geschlossen, er sah müde aus. Selbst an diesem heißen Junimorgen hatte er kein Fenster auf. Ich klopfte auf die Motorhaube, und mit sauertöpfischem Blick schreckte er auf. Als ich ihm mit einem dämlichen Grinsen zuwinkte, hob er in einer Geste des Wiedererkennens einigermaßen perplex drei Finger vom Lenkrad, und ich trabte kichernd ob meiner Unverfrorenheit über die Straße davon. Gerade als ich meinen eigenen Wagen erreichte, kam Bill Avis mit einem Sixpack Bier unterm Arm aus dem Liquor Store. Ich mochte Bill, er war ein bodenständiger Typ. »Hi, Bill. Gibst du ’ne Party?«
»Ja, wir wollen nachher grillen. Komm vorbei, wenn du magst.«
»Ich schau mal. Vielen Dank.«
»He«, sagte er, drehte sich noch einmal um und klemmte sich das Sixpack unter den anderen Arm. »Du kennst doch diese ganze Warhol-, New-York-Blase, stimmt’s?«
»Ein wenig. Wieso?«
»Scheiße. Hast du’s noch nicht gehört?«
Als ich mit quietschenden Reifen in unserer Auffahrt hielt, konnte ich »Take a load off Fanny …« bereits durch die offenen Fenster hören. Ich rannte ins Haus. Skye kam gerade aus dem Bad. Es sah aus, als hätte sie es geschafft, jedes Handtuch zu benutzen, das wir besaßen – eins hatte sie sich umgewickelt, eins lag auf dem Boden, eins hatte sie zum Turban gebunden, und mit einem vierten tupfte sie sich gerade den Schweiß von ihrer perfekten Stirn. Ich küsste sie schnell, nahm die Nadel von der Platte, schaltete den Fernseher ein und switchte durch die Kanäle. »He«, sagte sie und schlug mit dem Handtuch nach mir, »ich wollte das hören!«
»Lies das«, ich zog die New York Times unterm Arm hervor und warf sie ihr zu. Sie blickte auf die Titelseite und sagte: »O Gott!« Im selben Augenblick fand ich einen New Yorker Sender mit aktuellen Nachrichten. Ein Reporter stand vor dem Beth-Israel-Krankenhaus und sprach in die Kamera: »… nun ja, Jane, die Ärzte führen wohl gerade eine Notoperation durch, und es heißt, sein Zustand sei nach wie vor kritisch …«
Valerie Solanas. Ich war mir sicher, ihren Namen aus meiner Zeit mit Manny zu kennen. Gestern, etwa zu der Zeit, als Skye und ich uns gerade volllaufen ließen, war sie in die Factory spaziert und hatte ihn einfach abgeknallt. »… schoss Warhol in die Brust und entkam, stellte sich aber später den Behörden …«
Auf dem Bildschirm erschien ein Foto von ihr. Sie sah ziemlich durchgeknallt aus, was auf diesen Schnappschüssen eigentlich immer der Fall ist. Dunkelhaarig, dünn, irgendwie aufgedreht: Wie so ziemlich jede von diesen Junkie-Schlampen, die schnorrend in der Factory rumhingen.
»Scheiße, ich glaube, die kenn ich.«
»Ehrlich? Was meinst du, warum sie das getan hat?«
»Wer weiß? So viele durchgeknallte Arschlöcher, wie da ständig rumhingen …«
Das Telefon klingelte, es war Alex. Er hatte schon die ganze letzte Nacht versucht anzurufen, aber wir hatten das Telefon ausgestöpselt. Er erzählte, er sei ein paar Stunden nach der Tat am Union Square Paul Morrissey über den Weg gelaufen. Morrissey wiederum hatte erzählt, er sei dort gewesen und habe die Schüsse gehört. Alle seien völlig ausgerastet, hätten Reden geschwungen, dass sie sich Solanas noch vor den Cops krallen und für Gerechtigkeit sorgen würden. So schrecklich das alles auch war, schon der bloße Gedanke an einen Factory-Lynchmob war wirklich zum Totlachen. Man stelle sich vor: Viva, Morrissey, die Velvets, ein Rudel Transvestiten und ein paar Speedfreaks, die mit Baseballschlägern und brennenden Nasen durch SoHo rasen.
»Wie war er so?«, fragte Skye und nickte in Richtung eines Warhol-Fotos auf dem Bildschirm.
»Ich hab ihn
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