Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Titel: Music from Big Pink: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
Vom Netzwerk:
bekam.
    »Das ist eine Testpressung«, sagte ich, ohne mich vom Spültisch abzuwenden.
    »Wovon?«
    Also hörten wir sie uns gemeinsam an, und auch diesmal sprach niemand ein Wort. Als Richard »In A Station« sang, das Lied über den Overlook Mountain, blickte ich zu ihr hinüber und sah, dass sie den Kopf gesenkt hatte. Ihre Schultern bebten. Ich ging zu ihr und nahm sie in den Arm. »Warum hast du es ihm nie gesagt?«, fragte ich sie mit belegter Stimme.
    Sie schniefte ein paarmal durch die Nase, sah zu mir auf, ihr Gesicht und ihre Stimme tränennass. Sie sagte: »Weil ich kaum Luft bekam, wenn er den Raum betrat.« Dann fiel ihr der Kopf wieder auf die Brust, und sie brach erneut in Tränen aus.
    Später schlief sie auf der Couch ein. Ich trug sie nach oben – erstaunt darüber, wie leicht sie war – und legte sie sanft auf Alex’ Bett. Er war zum Vorsprechen einige Tage in New York. Ich deckte sie zu, lehnte meine Stirn an ihre und sog gierig ihren Duft ein: Äpfel, Kastanien, Whisky und Zigaretten. Mit einem flauen Gefühl im Bauch knipste ich das Licht aus, trat auf den Flur hinaus und ging ins Bett.
    Als ich aufwachte, spürte ich ihren warmen Atem in meinem Nacken und ihre Hand auf meinem Bauch. Ich wollte mich umdrehen, aber sie hielt mich fest und flüsterte mir ein zartes »Schhhh« ins Ohr. Also lag ich einfach nur da, spürte ihre Brüste, ihren Bauch und ihre Schenkel warm auf meiner Haut. Wir blieben eine ganze Weile so liegen, während unser Atem einen gemeinsamen Rhythmus fand. Sie strich sanft mit der Hand über meinen Bauch, vor und zurück, zeichnete Muster mit ihren Fingernägeln, pustete mir in den Nacken und hauchte mir kleine Küsse auf Schultern und Hals. Das hatte ich nicht erwartet. Nicht in dieser Nacht. Schon bald hielt ich es nicht mehr aus. Ich warf mich herum und küsste sie, küsste sie wie wild, stürzte mich wie verrückt auf sie, drang bebend und keuchend in sie ein. Sie rollte mich herum, übernahm die Kontrolle, stieß einen spitzen, kleinen Schrei aus, als sie sich auf mich setzte, und ihre Brüste streiften kurz mein Gesicht. Ihre Augen waren geschlossen, sie biss sich auf die Unterlippe, ihre weiße Haut schimmerte bläulich im Mondlicht. Ein-, zwei-, dreimal presste sie mir ihr Becken entgegen – und das war’s. Bebend und schaudernd lag ich unter ihr und sagte: »Tut mir leid«, noch während es geschah. Sie beugte sich zu mir herab, schmiegte ihr Gesicht an meines, küsste mich auf Augen, Mund, Nase, Wangen und sagte: »Nein, mir tut es leid.« Nach vielleicht anderthalb Minuten war alles vorbei.
    * * *
    Die Sonne, die durch das offene Fenster schien, weckte mich. Aufgrund der Hitze wusste ich sofort, wie spät es war. Ich öffnete die Augen, und in der Erwartung, sie sei gegangen, drehte ich mich langsam und vorsichtig um. Aber sie war nicht weg. Mit dem Rücken zu mir lag sie da und schlief, ihr Körper hob und senkte sich sanft. Eine Ewigkeit sah ich ihr mit einem albernen Grinsen im Gesicht zu. Ich konnte es nicht fassen. Ich zog mein Bein unter der Decke hervor und genoss das Sonnenlicht auf meiner nackten Haut.
    Ich wollte aufstehen und durchs Haus tanzen, eine Platte auflegen, Gitarre spielen und Frühstück machen, aber ich wollte sie nicht wecken. Ich hatte Angst, sie würde aufstehen und gehen. Angst, sie würde alles im düsteren Licht ihres Katers betrachten. Dass sie sagen könnte, sie wäre viel zu betrunken und überhaupt alles ein dummer Fehler gewesen. Doch ich war ängstlich und glücklich zugleich. Also lag ich einfach nur neben ihr, während die Sonne um das Haus herumkroch, bis sie mir den Rücken wärmte, und starrte sie an, das braune Muttermal in ihrem Nacken, den Flaum auf ihren Armen, die kleine Schweißpfütze in ihrem Kreuz. Nach einer Weile rollte sie sich gähnend herum. Rasch schloss ich meine Augen und gab vor zu schlafen, als sie mich anstupste und sanft schüttelte. »Greg?«, flüsterte sie. Ich schlug die Augen auf. Ihr Gesicht war bloß einen Zentimeter von meinem entfernt. »Ich bin hungrig.«
    Ich ging runter in die Küche, versuchte, mich zu erinnern, ob wir noch Eier im Kühlschrank hatten, und öffnete unterwegs sämtliche Fenster im Haus, bis es sich anfühlte, als bestünde es aus nichts als Sonnenlicht und frischer Luft. Als ich am Plattenspieler vorbeikam und Blonde on Blonde auflegte, wurde mir bewusst, dass zum ersten Mal seit Wochen morgens nicht Music from Big Pink lief. Music from Big Pink – so würden die Jungs

Weitere Kostenlose Bücher