Music from Big Pink: Roman (German Edition)
meisten Wochenenden verbrachte sie hier. Abends kam sie mit mir nach Hause, und wir gingen zusammen ins Bett. Sie rief mich alle paar Tage aus New York oder Vermont an, wenn sie nicht in Woodstock war. Ich lernte sie etwas besser kennen.
Sie war mit Hausangestellten und Köchinnen aufgewachsen.
Sie liebte Hot Dogs, wie es sie in New York an der Straße gab. Mit extra Sauerkraut.
Sie konnte nicht singen.
Sie stand auf Sex nach dem Aufwachen.
Sie hatte zwei ältere Brüder an der Wall Street und eine jüngere Schwester in Camden.
Sie hatte keine Ahnung, was sie nach dem Studium machen würde. Vielleicht nach Europa gehen.
Sie konnte ziemlich gut den britischen Akzent imitieren.
Sie hatte ihren Führerschein noch im selben Jahr verloren, in dem sie ihn gemacht hatte: Fahren unter Alkoholeinfluss.
Wenn wir hin und wieder alle zusammen ausgingen – zu Deanie’s oder woandershin – und sie zufällig neben Richard und Jane saß, verhielt sie sich ganz normal. Sie sagte, es sei bloß eine alberne Schwärmerei gewesen, sie sei vermutlich mehr in seine Stimme als in irgendetwas anderes verliebt gewesen.
War sie meine Freundin? Ich hatte nicht vor, sie das zu fragen. Ich kam damit klar, wie es zwischen uns lief. Um nichts in der Welt wollte ich das riskieren, was wir hatten. Keine Fragen, Mann. Keine Fragen.
dreizehn
»The Flying Dutchman’s on the reef …«
Es war ein Samstag im August – so heiß, dass die Luft einem die Nasenhaare versengte und die Vinylsitze der Corvette einem die Beine verbrannten, wenn man sich ins Auto setzte. Ich hatte eine Menge zu erledigen: Ich musste zur Spencer Road, um Richard etwas Stoff zu bringen. Ich musste nach Kingston rausfahren, um diesen Bobby zu treffen, der mir noch Geld schuldete. Ich musste zur Autowerkstatt, um einen neuen Ölfilter zu besorgen. Skye war für das Wochenende aus Vermont gekommen, später am Tag wollten wir Alex’ Geburtstag mit einem Barbecue feiern. Ich musste also auch noch zum Supermarkt, um Hähnchen, Würstchen und Brot zu kaufen. Ich bog von der Spencer Road in die Zufahrt und parkte den Wagen unter ein paar Bäumen, um ihn vor der Sonne zu schützen.
Die Platte mauserte sich zu einem Riesenerfolg, nun waren die Jungs nicht mehr nur in Woodstock berühmt. Sie wurden richtig berühmt: Time , Life und die verdammte New York Times , alle stimmten darin überein, wie großartig sie waren. Sie hießen auch nicht mehr The Crackers. Stattdessen hatten sie beschlossen, sich künftig schlicht »The Band« zu nennen. Auch das war kein Name, der mir sonderlich gefiel. Levon erging es ähnlich. Er wäre lieber bei The Crackers geblieben. Aber The Band … na ja. In meinen Ohren klang das entweder nach Bequemlichkeit oder nach Verzweiflungstat. Man konnte es auch einfach nur großkotzig finden – frei nach dem Motto »Schön und gut, du spielst vielleicht in einer Band, aber wir sind The Band«. Als ich ihn damit konfrontierte, grummelte Richard, es sei einfach nur ein Name. Wie auch immer, er blieb hängen. Man hatte sich schnell daran gewöhnt.
Die Jungs selbst veränderten sich eigentlich kaum – bis auf Robbie, der den Stock noch etwas tiefer im Arsch trug –, aber die Leute um sie herum verhielten sich plötzlich anders. Gegen Ende des Sommers kamen immer mehr Dealer in die Stadt, mehr Mädchen, mehr neue Gesichter, die sich um einen Platz an der Sonne rissen.
Ich ging um das Haus herum, aus den offenen Fenstern schallte Musik von Junior Parker über die Wiesen. Richard lag rücklings im hohen Gras und las eine Zeitschrift. Von hier aus hatte man wirklich eine tolle Aussicht: auf Baumwipfel, die unter der Hitze ächzten, über grüne Wiesen, gesprenkelt mit butterfarbenen Löwenzahnblüten, bis raus auf den Ashokan – zwanzig Quadratmeilen Wasser, das in der Sommersonne glitzerte wie ein Sack verschütteter Juwelen. Er blickte auf, als ich durch das raschelnde Gras auf ihn zukam: »Na, ganz schön heiß, was?«
»Scheiße, ich hab mir an dem verdammten Autositz fast Verbrennungen dritten Grades geholt.«
»Hör dir das mal an, Alter«, er blätterte die Seite um – es war dieses neue Magazin namens Rolling Stone – und las mit übertrieben sarkastischem Ton daraus vor. »Diese Platte wurde in gerade mal zwei Wochen aufgenommen. Es gibt Leute, die könnten sich ihr ganzes Leben lang abrackern und würden so etwas trotzdem nicht zustande bringen.«
»Welche Platte?«
»Unsere, Mann!«
»Scheiße«, sagte ich und nahm ihm das Magazin
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