Music from Big Pink: Roman (German Edition)
sie mich langsam von oben bis unten.
»Bist du ein Cop?«, fragte sie schließlich.
»Ja klar«, seufzte ich, »ich bin ein Cop. Geh und schnapp dir deine Klamotten, du bist verhaftet, du dämliche Schlampe.« Dann verpisste ich mich. Die Kleine blickte mir verdattert nach, während der Honig von ihren Titten auf den Boden tropfte.
Im Wohnzimmer hielten sich vielleicht ein Dutzend Leute auf, einige tanzten, andere lagen auf dem Boden und den Sofas herum. Ein Junge übergab sich mitten im Zimmer. Ich lupfte einen großen Cowboyhut und warf einen Blick auf seinen weggetretenen Besitzer, konnte ihn aber nicht zuordnen. Ich dachte gerade daran, einfach zu verschwinden, als Donnie den Flur entlangkam, unsere gemeinsame Bekannte Marcy im Arm. »Greg!«
»Was soll das hier, Donnie?«
»Tja, was soll ich sagen?«, grinsend schweifte sein Blick über das Gemetzel. »Tony, du kennst doch Tony, oder? Er kam vor ein paar Tagen aus Kalifornien und hatte einen ganzen Koffer mit dem abgefahrensten Acid dabei, das du dir je eingeklinkt hast. Ich meine, das Zeug dreht dir von jetzt auf gleich das Hirn auf links. Deshalb …«, er deutete auf die Szenerie. »Aber egal, komm mit nach hinten«, er trat wieder auf den Flur hinaus, wandte sich dann aber noch mal an Marcy. »Hey Süße, holst du uns bitte was zu trinken? Greg, Wodka?«
»Gern.«
»Und für mich dasselbe, Baby. Wir sind dann im Arbeitszimmer. Danke fürs Vorbeischauen, Alter.« Er legte den Arm um mich. »Ich kenn diese Typen kaum, sie sind hier mit ein paar Bräuten aufgekreuzt. Ich glaube, einer von ihnen ist ein Freund von Bob Dylan. Sie konnten ihren Stammdealer nicht erreichen …«
Wir betraten das Arbeitszimmer. Zwei große Brokatsofas standen einander gegenüber. Der Couchtisch dazwischen – eine massive Granitplatte – war mit Flaschen, Gläsern, Pornoheften, Aschenbechern, Spritzen und Gürteln übersät. Ein paar Typen – die meisten älter als ich, Anfang dreißig – und einige Mädels saßen da und laberten Blödsinn. O Kacke, dachte ich, als ich Bobby Neuwirth erblickte. Er konnte bei solchen Gelegenheiten ein echt mieses Arschloch sein. Auch einen der anderen erkannte ich: John Soundso, irgend so ein Schauspieler oder Dichter, der mit Dylans Kumpel Mason Hoffenberg befreundet war, dem Schriftsteller. Ich hatte ihn mal auf einer Party mit Levon quatschen sehen.
Es war ein Anblick, mit dem ich in den letzten vier, fünf Jahren hundertfach konfrontiert worden war, definitiv einer der eher kaputten Aspekte meines Jobs: abends oder auch am Tag danach auf einer Party aufzuschlagen und völlig nüchtern zu sein, während alle Anwesenden immer noch den gleichen Stiefel durchzogen, den sie sich schon seit zwei oder drei Tagen gaben – zitternd, schwitzend und längst nicht mehr ganz bei Sinnen.
Als wir zu ihnen rüberkamen, legte Neuwirth einen Finger auf die Lippen und machte »Schhhh«, wohl um uns den Eindruck zu vermitteln, sie hätten über uns geredet. »Das ist Greg«, stellte Donnie mich vor, als ich mich ans Sofaende setzte.
»Hallo«, sagte John und streckte die Hand aus. Er hatte ein schickes weißes Hemd an, aber in der Armbeuge sah ich ein paar rostrote Blutflecken. »Wir haben gerade darüber diskutiert, welches das mächtigere Medium ist, Musik oder Film? Was meinst du dazu?« Neuwirth und die anderen lächelten mich erwartungsvoll an. O Mann, eine dieser Fragen, auf die es keine richtige Antwort gab. Ich beschloss, mich dumm zu stellen.
»Na ja, was weiß ich denn schon. Ich bin nur ein Drogendealer. Wollt ihr irgendwelche Drogen kaufen?«
Nach einem Augenblick verdutzten Schweigens brachen sie in Gelächter aus, abgesehen von Neuwirth, der Blut gerochen hatte und nun enttäuscht wirkte. »Dann lass doch mal sehen, was du hast, Kleiner«, sagte einer. In meiner linken Innentasche hatte ich das verschnittene Heroin von der 10 th Avenue, in der rechten unverschnittenes Zeug von Dave. Den amtlichen Stoff. Lupenreines Khe-Sanh-Pulver. Ich griff in die rechte Innentasche, reichte ihm ein Briefchen und fügte hinzu: »Damit solltest du besser vorsichtig sein.« Alle lachten, als er ein wenig davon auf den Handrücken klopfte und John währenddessen eine Spritze vorbereitete.
Fünf Minuten später drängelten sich drei von uns – John, Donnie und ich – im Bad und versuchten, den Kerl unter die Dusche zu bugsieren. Neuwirth war in dem Moment verschwunden, als der Junge das Bewusstsein verlor und – nur zwanzig Sekunden nachdem er sich
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