Muss ich denn schon wieder verreisen?
gleich vier Flaschen. Daß die beiden verdächtig klirrenden Tüten die Aufmerksamkeit der gesamten Gruppe auf sich ziehen würden, hätten wir voraussehen müssen, hatten wir aber nicht. Dafür standen wir von nun an in dem Ruf, Alkoholiker zu sein.
»Laß sie doch denken, was sie wollen«, meinte Irene später im Bus. »Voraussichtlich werden wir sie nie wiedersehen, und deshalb ist es mir auch völlig wurscht, welche Meinung sie von mir haben.«
Sie hatte ja recht! Lieber ständig im Gerede als gar kein Gespräch!
Nächstes Ziel: die Quellflüsse des Jordan. Die Huber Maria sammelte leere Mineralwasserflaschen ein. Die von ihr mitgebrachte würde ja »net amol den Boden vom Taufbecke füllen« können, und wo der Herr Pfarrer ihr doch extra den Segen für diese Reise gegeben habe…
»Ob er auch den Preis fürs Übergepäck zahlt?« flüsterte Irene, nachdem sie Maria unsere noch zu einem Drittel gefüllte Flasche ausgehändigt hatte. Die Aufnahmekapazität der Pflänzchen war erschöpft, mit noch mehr Flüssigkeit wären sie ertrunken. »Sieben volle Literflaschen wiegen eine ganze Menge.«
Der Bus blieb oben am Straßenrand stehen, die heiligen Wasser mußten zu Fuß erklettert werden. Immer schön abwärts über Steinplatten und Geröll, nirgends etwas zum Festhalten, und prompt geschah dann das, was eigentlich vorhersehbar gewesen war: Frau Conrads blieb mit dem Fuß in einer Felsspalte hängen und fiel hin. »Es ist gar nichts passiert«, beteuerte sie sofort, war aber doch dankbar für Sepps tatkräftige Hilfe, der die zierliche Person mit einem Ruck wieder auf die Beine stellte. Jammernd sackte sie zusammen. »Ich glaube, irgendwas habe ich mir gebrochen. Ich kann mit dem linken Fuß nicht auftreten.«
Jetzt kam Annelieses große Stunde! Sie stürzte sich förmlich auf die Patientin, zog ihr den Schuh und den Strumpf aus, betastete den Fuß von allen Seiten, und schließlich drehte sie ihn leicht. »Tut das weh?«
»Natürlich tut das weh!« knirschte das Opfer mit zusammengebissenen Zähnen.
»Gebrochen ist aber nichts, wahrscheinlich nur verstaucht«, verkündete sie fröhlich. »Am besten sollten Sie den Fuß in den nächsten Tagen wenig belasten. Ich werde Ihnen eine Bandage anlegen.« Suchend sah sie sich um. »Hat jemand eine Binde dabei?«
»Na klar, auch ’ne Gipsschiene und Krücken«, tönte es aus dem Hintergrund. »Gehört ja alles zum Urlaubsgepäck.«
»Ich habe Hansaplast in meiner Tasche«, fiel Betti ein, »allerdings liegt die im Bus.«
Bis auf Maria und Elena, die uns anderen weit vorausgeeilt waren und schon emsig ihre Flaschen füllten, standen wir hilflos um das bedauernswerte Opfer herum. Nur Frau Marquardt war sofort wieder nach oben gestiegen und kam jetzt mit einem Verbandskasten zurück. »Hier müßte eine Elastikbinde drin sein.«
Von Anneliese fachmännisch versorgt und mit einem Schluck Kognak aus Gustls Notproviant (»Den habe ich nur zu Desinfektionszwecken mit!«) auch moralisch wieder aufgerüstet, schickte uns Frau Conrads weg. »Geht ihr mal ruhig alle eure Füße waschen. Auf dem Rückweg könnt ihr mich ja einsammeln.«
»Ich bleibe selbstverständlich bei Ihnen«, erklärte Anneliese sofort. »Manchmal tritt der Schock erst sehr viel später ein.«
»Den kriege ich garantiert, wenn Sie mich weiterhin behandeln, als wäre jede Minute mit meinem Ableben zu rechnen.«
»Ich meine es ja nur gut«, sagte Anneliese beleidigt.
»Ich auch, und deshalb gehen Sie jetzt schön mit den anderen runter zum Fluß. Darum sind Sie doch wohl hergekommen.«
Imponierend war das Rinnsal nicht, das sich zusammen mit anderen Bächlein irgendwann zum Jordan vereinigen würde, und hehre Schauer sind mir auch nicht den Rücken heruntergelaufen, allenfalls eine Gänsehaut, als ich den Fuß ins Wasser steckte. Es war lausig kalt.
»Unsere Altvordern müssen ziemlich abgehärtet gewesen sein, wenn sie sich damals taufen ließen. Die bekamen ja nicht nur ein paar Tröpfchen auf die Stirn geträufelt, die mußten ganz ins Wasser.«
»Stimmt«, sagte Irene, »und heute gilt man schon als abgehärtet, wenn man die Nacht überlebt, obwohl der Thermostat an der Heizdecke ausgefallen ist. Komm, laß uns mal nachsehen, ob hier irgendwas Interessantes wächst.«
Ich fand eine ganze Menge Grünzeug, das ich nicht kannte, aber es war nicht bedeutend genug, um der Strohtaschenbotanik einverleibt zu werden. Na ja, nur ein Gärtner weiß eben im voraus, was ihm blüht.
Frau Conrads hatte
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