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Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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größeren Gebäude hielt.
    »Für ä Hodel isch des aber arg kloi.« Mit zusammengekniffenen Augen musterte Ännchen das Haus. »Basse mä do üwwerhaupt alle noi?«
    Das hier sei nur das Gästehaus, die Restaurationsräume befänden sich im Nebengebäude. Ännchen war’s zufrieden.
    Nach Beendigung der üblichen Präliminarien, wer welches Zimmer bekommt, drifteten wir unter Führung hilfreicher Geister in verschiedene Richtungen. Wir erhielten ein helles, freundliches Zimmer mit Blick in den Garten.
    »So habe ich mir einen Kibbuz wirklich nicht vorgestellt.«
    Irene öffnete das Fenster und beugte sich hinaus. »Riech mal, wie das duftet! Schade, daß es schon zu dunkel ist, ich hätte gerne einen Spaziergang durch den Park gemacht. Hier gibt es bestimmt Pflanzen, die wir zu Hause gar nicht kennen.«
    »Verschieb’s auf morgen, in einer halben Stunde müssen wir zum Essen. Du kannst ja bei Sonnenaufgang Tautreten machen. Wer geht zuerst ins Bad?«
    Die Antwort erübrigte sich. Als ich meinen Koffer öffnen wollte – mit viel Gefühl, wie mir der Huber-Sepp demonstriert hatte –, hatte ich schon den Eindruck, als ob mich das Schloß hämisch angrinste. Das querliegende Schlüsselloch, darüber die beiden kleinen Nieten… jawohl, das Schloß grinste! Und dann sperrte es sich jedem Öffnungsversuch. »0 nein, nicht schon wieder!«
    »Is was?« Irene stand mit dem Rücken zu mir vor dem Fenster und hielt ein Kleid in die Höhe. »Angeblich soll das knitterfrei sein, doch jetzt sieht’s aus, als hätte ich schon dreimal drin geschlafen.« Sie warf es aufs Bett und griff nach einem Rock. »Wie findest du den?«
    Ich gönnte ihm nur einen flüchtigen Blick. »Hübsch.« Das Schloß klemmte immer noch.
    »Du hast überhaupt keinen Geschmack. Das Ding ist doch nur scheußlich.«
    »Warum hast du es denn gekauft?«
    »Weil’s so billig gewesen ist.« Der Rock folgte dem Kleid, Irene wühlte weiter. »Was ziehst du denn an?«
    »Gar nichts. Ich bleibe, wie ich bin. Ich kriege den Koffer nicht auf!«
    Erschrocken drehte sie sich um. »Erzähl keine Märchen. Gestern ging das doch einwandfrei. Laß mich mal ran!«
    Nun wiederholte sich das gleiche Spiel. Wir versuchten es auf die sanfte Tour, dann mit Brachialgewalt, erreichten jedoch nur, daß der Schlüssel abbrach und erst mit Hilfe einer Nagelschere wieder herausgepult werden konnte. Daraufhin folgte Resignation.
    »Wer wohnt denn heute neben uns?«
    »Die Yuppies«, antwortete Irene. »Wer auf der anderen Seite ist, weiß ich nicht.«
    Erneuter Bittgang. »Kein Problem«, sagte Jens, »das werden wir gleich haben.« Nach fünf Minuten hatte er es immer noch nicht. Robert eilte zu Hilfe, murmelte etwas von »ziemlich teures Stück« (wenn der wüßte!) und gab auf, nachdem er einen seiner sorgfältig manikürten Fingernägel eingerissen hatte.
    »Kann ich helfen?« In der geöffneten Tür erschien Gustl, angelockt von den wenig salonfähigen Flüchen, mit denen Robert seine vergeblichen Versuche unterstützt hatte.
    »Nur, wenn du Dynamit dabei hast«, knurrte Jens.
    »Das geht auch ohne.« Gustl verschwand und kam gleich darauf mit einer kleinen Ledertasche zurück. Was sie im einzelnen enthielt, weiß ich nicht, zum Teil hatte ich solche Instrumente noch nie gesehen, doch nachdem er zwei herausgesucht und damit am Schloß herumgefummelt hatte, sprang es auf.
    Jens staunte nur. »Bist du ein Profi? Hoteldieb, Safeknacker oder so etwas Ähnliches?«
    »Nein, Restaurator. Was glaubt ihr, wie viele alte Kommoden und Schränke ich schon aufgemacht habe, bei denen die Schlüssel verlorengegangen waren.«
    »Dein Handwerkszeug schleppst du immer mit dir herum?«
    »Meistens.« Er steckte die beiden Instrumente ins Etui zurück und zog den Reißverschluß zu. »Die Tasche nimmt ja nicht viel Platz weg, und Notfälle wie diesen gibt es immer mal.«
    Irene war vor der männlichen Invasion ins Bad getürmt. Sie kam erst wieder heraus, nachdem die Hilfskräfte das Zimmer verlassen hatten. »Wenn du diesen verdammten Koffer noch einmal abschließt, erwürge ich dich! Ich habe keine Lust, jeden Abend das Defilee der halben Busbesatzung abzunehmen.«
    Das konnte ich ihr nicht verdenken. Fortan wurde mein nun unverschlossener Koffer nur noch liegend transportiert und kam immer als unterster ins Gepäckfach vom Bus.
    Nach dem ausgezeichneten Essen, das sogar Ännchens Zustimmung gefunden hatte, obwohl es weder hausgemachte Nudeln noch »än richtigs G’miis« gegeben hatte,

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