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Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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sich erstaunlich schnell regeneriert. Sie fühle sich prächtig, behauptete sie, habe sogar schon versucht, den Fuß ein bißchen zu belasten, er tue lange nicht mehr so weh wie noch vorhin, sei auch kaum geschwollen, und wenn sie jemand stütze, komme sie ohne Schwierigkeiten bis zur Straße.
    »Nix da!« Sepp streckte seine Arme wie eine Baggerschaufel aus, hob die völlig verdutzte Frau Conrads hoch und trug sie nach oben in den Bus, wo er sie vorsichtig auf die durchgehende Rückbank bettete. »So, da haben S’ a bissel mehr kommod.«
    Betti opferte ihr aufblasbares Nackenkissen für den Kopf, Anneliese offerierte Aspirin, die Huber-Maria einen Schluck Jordanwasser, das werde bestimmt helfen, zumindest innerlich, und wir Hinterbänkler wurden aufgefordert, ein wachsames Auge auf die Patientin zu haben, weil wir doch sowieso immer separat und ganz am Ende säßen. »Warum eigentlich?« erkundigte sich Frau Terjung mit einem maliziösen Unterton. »Sind wir Ihnen nicht gut genug?«
    »Nur aus Rücksicht«, parierte Irene sofort. »Hier stört es niemanden, wenn wir mal ein Fenster öffnen, damit der Qualm abzieht.«
    Daß wir uns in edler Selbstbeherrschung übten und uns das Rauchen im Bus verkniffen, schien noch niemandem aufgefallen zu sein.
    »Ich weiß nicht, warum«, grübelte sie halblaut, »aber ich habe den Eindruck, als ob wir das besondere Interesse unserer lieben Mitreisenden genießen. Vorhin brach nämlich abrupt das Getuschel zwischen den Bremern und den beiden alten Krähen ab, als ich näher kam. Viel verstanden habe ich nicht mehr, doch deinen Namen habe ich noch gehört, und dann schwafelte Florence Nightingale was von Pärchen oder so ähnlich.«
    »Tut mir leid, da kriege ich keinen Sinn rein.«
    »Ich schon, und wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, werden wir noch eine Menge Spaß bekommen!« Genaueres wollte sie aber noch nicht sagen.
    Schon eine ganze Weile waren wir stetig bergauf gefahren, und mit jedem Kilometer verschlechterte sich das Wetter. Dicke Wolkenberge türmten sich auf, in der Ferne blitzte es, dumpfes Grollen war zu hören, und als wir auf einem provisorischen Parkplatz anhielten und sich die Türen öffneten, pfiff ein eiskalter Wind ins Innere. »O du schöner We-hehe-sterwald«, intonierte Anneliese, »über deine Höhen pfeift der Wind so kalt …«
    »Müssen wir da jetzt raus?« Im Taschenspiegel überprüfte Claudia ihr Aussehen. »Bei dem Wetter ist meine Frisur ja gleich im Eimer. Außerdem friere ich. Was gibt es denn hier überhaupt zu sehen?«
    Die Frage hatte ich mir auch schon gestellt. Wir befanden uns auf einem kahlen Bergrücken, von dem aus wir zwar kilometerweit auf eine fruchtbare Ebene blicken konnten, doch so besonders sehenswert war die Aussicht eigentlich nicht.
    »Wir stehen hier auf blutgetränktem Boden«, begann Menachem, »denn bis zum Jahre 1967 gehörte der Golan zu Syrien. Erst im Sechstagekrieg wurde er von unseren Truppen erobert und 1981 zum israelischen Staatsgebiet erklärt. Seitdem wird er von UNO-Soldaten bewacht. Ein paar hundert Meter weiter vorn steht ein Posten, der freut sich immer, wenn er Besuch bekommt.«
    »Wer zu dem kleinen Spaziergang keine Lust hat, kann selbstverständlich mit Frau Conrads im Bus warten«, sagte Frau Marquardt. »Eine Bitte an die Fotografen: Lassen Sie die Kameras zurück. Hier ist militärisches Sperrgebiet, deshalb herrscht absolutes Fotografierverbot.«
    Fröstelnd zogen wir die Straße entlang bis zu dem Gitterzaun, vor dem eine kleine Holzbude stand. »Jetzt wird mir einiges klar«, sinnierte Irene, in das weite Tal zu unseren Füßen blickend. »Ich habe nie verstanden, warum die Golanhöhen damals so heftig umkämpft worden sind und sich später die Verhandlungen über eine etwaige Rückgabe so lange hingezogen haben. Wer hier oben sitzt, hat freies Schußfeld über die ganze Ebene.
    Verständlich, daß die Juden keinen potentiellen Feind an solch einer exponierten Stelle haben wollen. Der könnte doch mit den heutigen Waffen ohne große Anstrengung ein Viertel dieses Landes ausradieren.«
    Der blau behelmte UNO-Posten erwartete uns schon. Es war ein blutjunges Bürschlein, nicht älter als höchstens zweiundzwanzig, das die Abwechslung sichtlich begrüßte. »Servus, miteinand.«
    »Da schau her, a Landsmann«, stellte Gregor sofort fest, »woher kommst? Aus Wien?«
    »Na, aus Salzburg.«
    Wie oft der arme Kerl die auf ihn einprasselnden Fragen schon hatte beantworten müssen, weiß ich

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