Muss ich denn schon wieder verreisen?
sondern nur »än Salat, wo mä bei uns ned kennt«, wurden wir zum Informationsabend gebeten. Da saßen wir nun wieder im Kreis, hörten brav zu, was Menachem zu sagen hatte, versprachen, die Hinweise von Frau Marquardt zu befolgen, wonach wir tunlichst keine militärischen Anlagen und keine orthodoxen Juden fotografieren sollten, das gleiche gelte für das Innere von Moscheen, und dann durften wir gehen. Am besten ins Bett, denn morgen hätten wir eine anstrengende Tour vor uns.
»Wer kann denn um halb zehn schon schlafen?« moserte Irene, die Zimmertür aufschließend. »Jetzt machen wir erst mal die Weinflasche nieder und dann… Ach, du dickes Ei! Sieh dir bloß mal das an! Hast du etwa die Nachttischlampe brennen lassen?«
»Nein, es ist deine. Und das Fenster habe ich auch nicht aufgerissen.«
»Na, dann laß uns mal anfangen!«
Als schon überall die Lichter gelöscht waren, jagten wir noch immer nach Mücken, die scharenweise eingefallen waren und sich jetzt sirrend gegen ihre Ausrottung zur Wehr setzten. Die vorletzte erlegte ich auf meiner Zahnbürste, die letzte hatte das Massaker überlebt und offenbar Rache geschworen. Am nächsten Morgen hatte ich vier Stiche, Irene sechs.
Ich war schon kurz vor dem Einschlafen, als sie mich noch einmal hochschreckte. »Du warst wirklich noch nie in Nordafrika? Nicht mal in Ägypten?«
»Nein, zum Kuckuck noch eins!«
»Dann machen wir im nächsten Jahr zusammen eine Nil-Kreuzfahrt. Das wollte ich schon immer mal.«
6
Am Morgen war das Bett neben mir leer und Irene verschwunden. Sie würde doch nicht wirklich tautreten…? Nein, natürlich nicht, ihre Schuhe waren ja auch nicht da. Ich wollte mich gerade auf die Suche machen, als sie zurückkam. Und was hielt sie in der Hand?
»Du willst das Gemüse doch hoffentlich nicht mitnehmen?«
»Selbstverständlich! Wozu hätte ich es sonst ausgebuddelt?« Aus den Tiefen ihres Koffers zog sie die Basttasche heraus, innen mit Folie ausgelegt, und da hinein kamen die winzigen Pflänzchen, nachdem die Stiele mit feuchten Papiertaschentüchern umwickelt worden waren. »Irgendwo muß ich noch ein bißchen Erde besorgen, aber ich wollte denen hier nicht den halben Park umgraben. Es ist fantastisch, mit wieviel Liebe der angelegt worden ist.«
»Du traust dich also nicht, eine Handvoll Sand mitzunehmen, hast aber keine Hemmungen, die Blumenbeete zu plündern.« Mir erschien das wenig logisch.
»Das sind doch alles bloß Ableger.« Sorgfältig beträufelte sie die Stengelchen mit Wasser.
»Darf ich dich daran erinnern, daß bei uns der Winter vor der Tür steht? Deine Gewächse kriegen ja einen Kälteschock!«
»Die kommen gleich in Töpfe und dann in mein kleines Treibhaus.«
Es war hoffnungslos! Normale Menschen bringen normale Souvenirs von ihren Reisen mit, bemalte Keramikteller ›Gruß aus Kärnten‹ oder schreiendbunte Hosen, die am karibischen Strand nicht weiter auffallen, weil sich fast alle Touristen schreiendbunte Hosen kaufen – wieder zu Hause, ziehen sie sie nicht mal im Garten an! –, nur meine Freundin ist gegen derartige Verlockungen gefeit. Dafür entgeht ihr kein Gewächs, das eine Bereicherung ihrer exotischen Pflanzensammlung verspricht.
»Weißt du überhaupt, was du da angeschleppt hast?«
»Na klar. Ceratonia siliqua, Pandratium maritimum, Ornithogalum eigii und Pinus halepensis.«
Da gab ich es auf!
Von nun an gehörte die täglich voller werdende Tasche zum Handgepäck und wurde ähnlich sorgfältig behandelt wie der Karmel-Wein. Die Mineralwasserflasche, bei Durchquerung größerer Trockenregionen ein unbedingtes Muß, hatten wir künftig mit dem sensiblen Grünzeug zu teilen, und es war selbstverständlich, daß es immer den Vorrang hatte.
Die heutige Route sah unter anderem einen Spaziergang über die Golanhöhen vor, und entsprechend gewandet präsentierten sich unsere Mitreisenden schon am Frühstückstisch. Die Schwestern trugen wieder Loden und rustikale Bergstiefel, Frau Terjung hatte ihren wagenradgroßen Strohhut gegen einen auf modisch getrimmten Südwester getauscht, der Huber-Sepp hatte sich für Kniebundhosen mit roten Wollstrümpfen drunter entschieden, und Betti erschien mit Schal und Kopftuch. Das Thermometer zeigte vierundzwanzig Grad im Schatten.
Schon im Bus begann der Striptease. Sogar Betti knöpfte ihre Wollbluse bis fast zum Bauchnabel auf, und als das erste Ziel erreicht war, mußte Shimon programmwidrig die Kofferklappe öffnen. Hektisches Wühlen, sodann
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