Muss ich denn schon wieder verreisen?
Sturm auf die Toiletten. Nach erfolgreicher Metamorphose endlich Würdigung des Kreidefelsens von Rosh Haniqra. Er bildet die Grenze zum Libanon, und deshalb gibt es eine Aussichtsterrasse, damit man rübergucken kann. Sieht man in die entgegengesetzte Richtung, hat man einen herrlichen Blick über die Mittelmeerküste. Zumindest wurde mir das gesagt, denn als ich die Seilbahn entdeckt hatte, mit der man auf den Berg gebaggert wird, habe ich auf die unvergeßliche Aussicht verzichtet. Ich mag keine Seilbahnen, und so kleine Käfige wie den hier schon überhaupt nicht. Maximal sieben Personen faßt die Kabine, zusammengequetscht wie Heringe in der Dose, nur ein Seil, nicht mal ein Stützpfeiler in der Mitte… nein, danke!
»Müssen wir da rauf?« Irene hat auch nichts für Seilbahnen übrig.
Wir entschieden, daß wir nicht müssen und der Felsen auch von unten sehr eindrucksvoll ist. Das Fahrgeld legten wir in Orangensaft und Nana an. Normalerweise eingefleischte Kaffeetrinkerin, bin ich in Israel schon am zweiten Tag zum Tee konvertiert.
Die Weiterfahrt verzögerte sich, weil Heini noch mal auf den Berg mußte; er hatte sein Teleobjektiv auf der Brüstung liegenlassen. Übrigens nicht zum letztenmal. Endgültig abhanden gekommen ist es bei den Höhlen von Qumran.
Weiter ging’s an der libanesischen Grenze entlang zum Golan. Die ganze Region nennt sich Galiläa, nicht nur unseren versierten Bibelkennern ein Begriff. Sie fieberten denn auch der ersten christlichen Kirche entgegen und wurden enttäuscht. In Zefat besichtigten wir lediglich eine Synagoge, erst von außen, dann von innen. Gleich neben dem Eingang stand eine Schale mit schwarzen Papphütchen. Sie sahen genauso aus wie sie heißen: Yarmulken.
»Der jüdische Glaube verbietet den Männern, mit bloßem Haupt eine Synagoge zu betreten«, erklärte Menachem dem unwissenden Auditorium und setzte sich eins der Käppis auf den Hinterkopf.
»Davon habe ich schon gehört«, bestätigte Frau Terjung sofort, das Hütchen ihres Mannes in eine leichte Schräglage versetzend. »Nicht doch, Harald, das Gummiband gehört nach hinten unter die Haare.«
Auch der Huber-Sepp bekam Schwierigkeiten mit der ungewohnten Kopfbedeckung. Zwei Hütchen hatte er bereits aus dem Verkehr ziehen müssen, weil der Gummi gerissen war, an ein drittes traute er sich nicht mehr heran. »Dann muß i halt wieda aussi.« Woraufhin Anneliese eine Haarnadel aus ihrem Dutt fummelte und das Käppchen in Sepps Löwenmähne verankerte. Bei Heini ging das nicht, er hatte keine Haare mehr. Also zog er das Gummiband unter sein Kinn und hatte nun eine fatale Ähnlichkeit mit einem Zirkusclown, sehr zum heimlichen Vergnügen von Gregor. Er war ja immer auf der Suche nach ungewöhnlichen Motiven.
Eine Synagoge ähnelt weder einer Kirche noch einer Moschee. Der Innenraum mutet im Gegenteil ziemlich schmucklos an, denn es gibt keinen Altar, nur ein Lesepult, und im Halbkreis angeordnete Sitzbänke – die hier waren blau, was den ganzen Raum in ein diffuses Licht tauchte. Die einzige Kostbarkeit bildete der Thoraschrein, selbstverständlich verschlossen, so daß wir das eigentliche Heiligtum gar nicht zu Gesicht bekamen.
»Hole die denn des net ämol zum Drausvorlese her? Was nützt denn ä koschtbars Buch, wenn’s koiner zum Sehe kriegt?«
»In dem Schrein wird die Thorarolle aufbewahrt, kein Buch«, verbesserte Jens etwas herablassend.
Ännchen wunderte sich noch ein bißchen mehr, doch dann hatte sie eine einleuchtende Erklärung. »Ha no, die lese jo a alles von hinna nach vorne.«
Aus dem kühlen Halbdunkel der Synagoge traten wir wieder in die Hitze der Altstadt, und sofort setzte der übliche Run auf sanitäre Installationen ein, nur wußte niemand, wo denn solche zu finden sein würden. Das deutsche Gaststättengesetz, wonach zu drei Tischen mindestens eine Toilette gehört, findet außerhalb der Landesgrenzen keine Beachtung, und die Suchenach dem bewußten Örtchen bildete einen festen Bestandteil der gesamten Reise.
»Mann müßte man sein«, seufzte Irene neidisch, als sie den Sepp hinter einem Gebüsch verschwinden sah. »Ich kann doch nicht jedesmal ein halbes Dutzend Tassen Tee trinken, bis ich endlich eine Kneipe mit Klo gefunden habe.«
Fanden wir auch nicht, dafür entdeckten wir einen kleinen Laden, der neben deutschen Zigaretten auch Karmel-Wein zu einem äußerst günstigen Preis anzubieten hatte. »So billig kriegen wir den nie wieder!« sagte Irene erfreut und orderte
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