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Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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bei der Erwähnung dieses Namens hatte die Huber-Maria immer leuchtende Augen bekommen, war doch dieser kleine Ort, der heute eine Stadt ist, die Heimat Jesu gewesen. Einen Brunnen sollte es dort geben, bis vor einigen Jahren die einzige Wasserquelle Nazareths, und sehr wahrscheinlich hatte auch schon die Mutter Gottes an diesem Brunnen ihre Krüge gefüllt. Die Huber-Maria gedachte ein Gleiches zu tun, auch wenn das Wasser nicht ganz so heilig sein würde wie das vom Jordan. »Wenn man’s mischen tät, wird’s scho recht werden.«
    Doch zuerst war die Verkündigungskirche dran. Über der ursprünglichen Grotte sind im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Kirchen gebaut, zerstört und neu errichtet worden, bis vor fünfundzwanzig Jahren ein italienischer Architekt einen riesigen Bau entwarf, in den die Reste sämtlicher Vorgängerkirchen integriert wurden. Deshalb gibt es eine Ober- und eine Unterkirche. In der unteren kann man noch ein bißchen Grotte besichtigen sowie Überbleibsel früherer Kirchen, während die Oberkirche vollgestopft ist mit Marienstatuen aus aller Herren Länder. So ziemlich jede christliche Konfession hat ihre eigene Madonna aufgestellt, und wenn man berücksichtigt, daß Maria ja eine arme Frau gewesen ist, dann mutet dieser ganze Pomp ein bißchen sehr realitätsfern an. Von der edelsteinbesetzten Krone bis zum golddurchwirkten Mantel war nichts zu kostbar gewesen, um der Marienverehrung Ausdruck zu verleihen. Sogar die Huber-Maria war angesichts ihrer vielen Namenspatroninnen etwas ratlos gewesen. »Vor welcher Madonna soll i hernach mei Kerze aufstellen? Wissen Sie, wo die katholische steht?«
    Nein, das wußte niemand so genau. Auf unseren kompetenten Guide hatten wir verzichten müssen, denn nichtchristliche Führer dürfen in dieser Kirche keine Erläuterungen geben, also war er draußen geblieben. Frau Marquardt hatte sich ebenfalls gedrückt.
    Sie habe diese Kirche schon ein halbes dutzendmal durchwandert, und überhaupt sei ihr die Luft im Innern zu sehr von Weihrauch geschwängert. Ich war auch froh, als ich wieder draußen stand und mir in Ruhe das Seitenportal mit der beeindruckenden Darstellung des Engelsturzes ansehen konnte. Aber nicht lange.
    »Gell, Hoini, des filmsch! Erst im gonze, und donn komm i von der Seide g’lofe und stell mich dävor.«
    Die griechisch-orthodoxe Gabrielskirche, ebenfalls im Besichtigungsprogramm vorgesehen, war geschlossen, der Marienbrunnen daneben nicht interessant genug, um ihn eine halbe Stunde lang zu betrachten. Was also tun in den dreißig Minuten Leerlauf? Shimon war mit dem Bus auf einen nicht bekannten Parkplatz gefahren und würde uns erst zum verabredeten Zeitpunkt abholen. Ein bißchen durch die Altstadt bummeln? Nein, lieber nicht, warnte Menachem, Nazareth gehöre zum arabischen Teil Israels. In den letzten Tagen habe es Unruhen gegeben, wer weiß, ob die nicht eskalieren, und überhaupt würde sich ja doch wieder die Hälfte verlaufen und käme nicht pünktlich zurück. Es sei wohl besser, wenn wir zusammenblieben und allenfalls bis zu den Andenkenständen ›da drüben‹ gingen.
    Folgsam setzte sich die Kolonne in Marsch. Zu bewundern und käuflich zu erwerben waren Madonnen in Gips, schwarzweiß karierte Tücher, bunte Ketten, silberne Ketten, hölzerne Ketten, Glasperlenketten und jede Menge Hände.
    Mit denen hat es eine besondere Bewandtnis. Sie sollen nämlich der edlen Hand Fatimas nachgebildet sein, und die wiederum war die Tochter Mohammeds und als solche auch ein bißchen heilig. Glauben wenigstens die Schiiten und tragen Fatimas Händchen als Talisman, weil es Glück bringen soll. Glück kann man immer brauchen! Deshalb ruht seit Nazareth in meiner privaten Kitsch- und Krempelecke auch ein fünf Zentimeter großes Händchen aus blauem Glas, das bei gelegentlichen Betrachtern immer die wildesten Vermutungen auslöst. Die absurdeste gipfelte in der Erkenntnis, es sei eine verkleinerte Nachbildung der eisernen Faust des Götz von Berlichingen.
    Nächste Station war Berg Tabor, auch bekannt unter dem Begriff ›Berg der Verklärung‹. Nun muß ich gestehen, daß ich damit nicht mehr allzuviel anfangen kann. Der Konfirmandenunterricht liegt zu lange zurück, und während der Erläuterungen von Frau Marquardt habe ich nicht aufgepaßt. Ich saß immer noch auf einem Mauerrest und erholte mich von der Taxifahrt. Im Lexikon steht, daß der Berg 588 m hoch ist und als heilig gilt, sogar bei den Griechen; sie hatten auf ihm ihre

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