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Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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unterstützt von Karmel-Wein, dann wieder abwärts zur Uferpromenade mit den vielen Restaurants. Schon am Nachmittag hatten wir uns eins ausgeguckt mit Tischen im Freien direkt am Wasser, in dem sich jetzt die bunten Lichterketten spiegelten.
    »Was ißt man denn hier so?« Unschlüssig las Irene die Speisekarte von vorne nach hinten und wieder zurück.
    »Auf jeden Fall Fisch.«
    »Aber welchen? Von den meisten habe ich noch nie was gehört.«
    »Am See Genezareth ißt man Petrusfisch, der ist berühmt.«
    »So? Dann nehme ich lieber einen anderen.«
    Hätte ich es doch auch getan! Der Petrusfisch besteht aus panierten Gräten und ist bestenfalls als Katzenfutter geeignet. Welchem Umstand er seine Berühmtheit verdankt, wissen vermutlich nur die Fischer. Und die essen ihn nicht.
    Die vor einigen Stunden noch fast leere Uferpromenade hatte sich in einen Flanierboulevard verwandelt. Menschenmassen schoben sich die Straße entlang von links nach rechts, Kehrtwendung und wieder zurück. Der Sabbat war vorbei, man durfte wieder alles das tun, was man bis zum Sonnenuntergang nicht tun durfte, und dazu gehört anscheinend auch das Spazierengehen im Festtagsschmuck. Nie wieder habe ich so viele mit Volants verzierte Kleider gesehen wie auf diesem einen Kilometer Uferstraße. Bei den Herren dominierten dunkle Anzüge, die bunten Farbtupfer dazwischen waren unschwer als Touristen zu erkennen, Shorts, Socken, Sandalen und Schirmmütze gehörten zu Heini. Ännchen trug Blau mit Silber. Wir zogen die Köpfe ein, bis sie vorbeistolziert waren, hatten jedoch Betti übersehen, die den Anschluß verpaßt hatte und hechelnd hinterherhastete. Prompt entdeckte sie uns und stürzte sofort auf uns zu. »Ist hier noch was frei?«
    Überflüssige Frage, die leeren Stühle waren kaum zu übersehen. »Legen Sie mal was drauf, ich komme gleich wieder.«
    »Laß uns verschwinden, und zwar sofort!« Ich stopfte Zigaretten und Feuerzeug in meine Tasche und stand auf.
    »Wir sollten vorher noch zahlen!«
    Verflixt noch eins, das hätte ich beinahe vergessen. Der Kellner war nirgends zu sehen, dafür trabte Betti an, im Schlepptau Ännchen und Heini.
    »Send Sie a do? Des isch awer än nedder Zufall. Wir welle nur ä Eis esse, net wohr, Hoini, awer die Betti hot uf’s Obendesse im Hodel verzichtet wege de Fisch, wo hier so gut soi solle.«
    »Dann müssen Sie unbedingt den Petrusfisch probieren«, sagte ich sofort. »Der ist eine Spezialität in dieser Gegend, mindestens so berühmt wie bei uns die Bodensee-Felchen.«
    »Die habe ich auch noch nie gegessen«, bedauerte Betti, »nur davon gehört. Aber wenn Sie meinen, dann werde ich mal den Petrifisch bestellen.«
    Der Kellner kam, wedelte mit der Serviette ein paar Brotkrümel von der ohnehin nicht sehr sauberen Tischdecke, nahm Bettis Bestellung entgegen, erklärte Ännchen mürrisch, daß es kein Eis gebe, empfahl statt dessen einen Besuch des Cafés weiter vorn, überhörte unseren Wunsch nach Begleichung der Zeche und verschwand.
    »Des dät’s bei uns net gewe. Er hätt doch froge messe, was wir wolle, wenn er scho koi Eis hot. Hoini, was sechst du däzu?«
    Heini sagte gar nichts, er sah nur neidisch zum Nebentisch hinüber, wo gerade drei Gläser Bier abgeladen wurden. Ännchen folgte seinem Blick. »Nix do, du hosch doi Bier scho zum Obendesse g’hat. Bschdell dir ä Mineralwasser und für mi än Woi. Awer an vom Karmel. Den trinke Sie doch a immer, gell?«
    »Aber sicher«, bestätigte Irene. »Am liebsten vor dem Frühstück.«
    Endlich kam der Kellner zum Kassieren. Ich hatte schon befürchtet, er würde sich erst zusammen mit Bettis Fisch wieder sehen lassen, denn den Moment, wenn sie mit der Gabel in die Gräten piekte, wollte ich lieber nicht miterleben. So aber konnten wir uns höflich verabschieden, bevor sie alttestamentarische Flüche über mein Haupt schütten würde. Verdient hätte ich sie ja.
    Zum drittenmal an diesem Tag schleppten wir uns die endlos lange Straße zum Hotel hinauf. Diesmal nahm sie überhaupt kein Ende.
    »Mir tun die Füße weh.«
    »Von dem bißchen Laufen?« Irene zeigte sich von meinem Gejämmer unbeeindruckt. »Moses hat seine Mannen auch zu Fuß ins Gelobte Land geführt.«
    »Die hatten wahrscheinlich bequemere Schuhe an.«
    »Unsinn, du solltest ganz einfach etwas sportlicher werden. Fahrrad fahren oder noch besser joggen. Jeden Vormittag fünf Kilometer.«
    »Nur? Und was mache ich nachmittags?«
    »Den letzten Kilometer.«

8
    Nazareth. Schon

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