Muss ich denn schon wieder verreisen?
Viertelstunde hatte das ganze Unternehmen gedauert, doch als wir am Ziel angekommen waren, hatten wir nach Ansicht aller Beteiligten stundenlang in der glühenden Sonne gestanden und den Bus nur mit letzter Kraft flottmachen können. Abends erzählte mir Frau Marquardt, daß die ganze Sache ein abgekartetes Spiel gewesen sei. »Mit dem Begriff Wüste verbindet doch jeder abenteuerliche Vorstellungen. Jetzt können sie zu Hause wenigstens erzählen, daß sie beinahe verdurstet wären und die Geier schon ihre Kreise gezogen hätten.«
Gesehen hatte ich allerdings keine. »Inszenieren Sie so was jedesmal?«
»Nö, das kommt auf die jeweilige Gruppe an. Die hier hatte ein bißchen gelangweilt ausgeschaut. Danach ist sie ja auch wieder recht munter geworden. Aber wehe, wenn Sie das weitersagen!«
»Sehe ich so aus?«
Wadi el-Kelt. Als Flußbett kaum zu erkennen. Nicht mal Menachem konnte sagen, wann hier zum letztenmal Wasser geflossen war. Es staubte schon beim bloßen Hingucken.
»Was ist denn so Besonderes daran, wenn wir hier durchlaufen?« Frau Terjung wechselte ihre eleganten Pumps gegen weniger elegante Turnschuhe aus. »Lohnt sich das denn überhaupt?«
Frau Marquardt bejahte. Schon das St.-Georgs-Kloster, 480 gegründet und in den Felsen hineingebaut, sei sehenswert. Nun wollte auch die Huber-Maria mit. Ein Kloster sei ja etwas Christliches, und hier so mitten in der Wüste…
Joseph schritt ein. »Nix da, du bleibst! Da gibt’s an Berg, und nachher fallst noch abi!«
»Müssen wir etwa klettern?« Von dieser Aussicht schien Frau Terjung wenig begeistert.
»Nicht klettern, es geht nur manchmal ein bißchen bergauf.« Frau Marquardt sammelte die Wanderlustigen um sich und zählte ab. »Eins, zwei, drei… acht, neun, zehn. Wir treffen uns in zwei Stunden am Ortseingang.«
Der Troß zog los. Wir Übriggebliebenen kletterten wieder in den Bus und ließen uns von Menachem erzählen, was uns erwartete. Reste von Winterpalästen der Omajjaden-Kalifen (wer sind denn die nun schon wieder gewesen???), die Elishaquelle und der älteste Turm der Menschheit. Überhaupt gelte Jericho als älteste Stadt der Erde. Sogar Kleopatra sei schon hiergewesen, denn als die Römer im Jahre 63 Jericho erobert hatten, habe Marc Anton seiner Gattin dieses hübsche Fleckchen Erde geschenkt.
»Siehste«, sagte Irene zu mir, »die heutigen Männer sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Da schenkt der Kerl seiner Frau eine ganze Stadt, und ich schlage mich seit zwei Jahren mit dem Berliner Senat wegen acht Quadratmeter Garten herum, die mir angeblich nicht gehören.« Und dann, etwas lauter: »Haben wir denn auch ein bißchen Zeit, durch die Stadt zu laufen? Nichts gegen Altertümer, doch in einer Oase muß es eine ungeheure Pflanzenvielfalt geben.«
Menachem überging den Einwurf und erläuterte statt dessen die Sache mit den Posaunen, deren Klängen bekanntlich die Stadtmauern zum Opfer gefallen sein sollen. Heutzutage würde dazu wohl ein Konzert von den Rolling Stones genügen.
An der Stadtgrenze von Jericho erwarteten uns bewaffnete Soldaten. Hineinfahren? Leider unmöglich, Ausnahmezustand.
Wenn wir unbedingt wollten, dann nur bis zum nächsten Parkplatz dreihundert Meter weiter vorne, der sei bewacht. Das Restaurant gleich links sei auch ungefährlich, Früchte könne man an den Ständen neben der Straße kaufen, doch alles andere sei off limits.
Da standen beziehungsweise saßen wir nun, vor uns die in allen Grüntönen leuchtende Oase, und durften nicht hinein. Unter den mißtrauischen Blicken der Soldaten fuhr Shimon zu dem angegebenen Parkplatz. »Was sollen wir denn jetzt die ganze Zeit machen?« jammerte Waltraud.
»Erst mal Orangensaft trinken.« Irene hatte bereits einen Stand mit der obligatorischen Saftpresse entdeckt. »Der schmeckt hier bestimmt noch besser als woanders.« Mit dem zweiten Becher in der Hand, malerisch an einen Maulbeerbaum gelehnt, fing sie an zu lachen. »Wetten, daß unsere Wandervögel ein kleines Vermögen dafür geben würden, wenn sie jetzt auch so was hätten?«
»Moin Hoini ned. Der hot zwei Flasche Wasser däbei.« »Ja, lauwarmes.«
Mit gluckernden Bäuchen inspizierten wir das Obstangebot. Ich bin schon immer begeistert, wenn ich in dem Einkaufszentrum vor den Toren Heilbronns durch die riesige Obst- und Gemüseabteilung spaziere. Da gibt es Mini-Bananen aus Kenia, Carambolas aus Südamerika, Litchis aus China, Kaki-Pflaumen von sonstwoher – alles stückweise und nur zu
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