Muss ich denn schon wieder verreisen?
Mondpreisen erhältlich. Und hier hingen und lagen fast die gleichen Früchte stapelweise und kosteten umgerechnet Pfennige. Ganze Bananenstauden baumelten an dicken Haken, Körbe mit frischen Feigen und Datteln, zu Bergen getürmte Orangen, Pampelmusen, Limetten, Tomaten in allen Größen, Melonen, runde und ovale, dazwischen erntefrisches Gemüse und obendrüber, an langen Strippen aufgereiht, büschelweise Kräuter: Frisches Basilikum? Aber natürlich, eine ganze Handvoll, wenn ich will. Rosmarin? Selbstverständlich, genügen zwanzig Stengel? Vielleicht sind es ja auch mehr.
»Was willst du denn mit dem ganzen Zeug?« Irene verfolgte meinen Kaufrausch mit gelindem Entsetzen.
»Weiß ich noch nicht. Zu Hause zahle ich für ein Tütchen vertrockneten Kerbelstaub zwei Mark, und hier kann ich eimerweise frischen kaufen. Für ’n Trinkgeld.«
»Wozu hast du eigentlich einen Garten?«
»Das habe ich mich auch schon oft gefragt.« Ich orderte noch ein Büschel Oregano. »Für Schnecken, Maulwürfe, runterfallende Birkenblätter und reinfallende Bälle von nebenan. Da ist noch nie auch nur ein Petersilienstengel aus dem Boden gekommen.«
»Versuch’s mal im Blumentopf!« empfahl sie.
Ich kaufte noch ein paar andere Kräutlein, deren Namen mir aus Kochrezepten in Erinnerung waren, die ich aber noch nie ausprobiert hatte, weil mir immer die dazugehörigen Gewürze gefehlt hatten.
»Jetzt haben wir endlich den Parfümgestank aus unserem Zimmer raus, und nun kommst du mit dem ganzen Grünzeug an.« Kopfschüttelnd musterte sie den Inhalt meiner Tüte. »Du willst das doch hoffentlich nicht mit nach Hause nehmen?«
»Natürlich. Und ich brauche es nicht mal täglich zu gießen.« Woraufhin sie den Mund hielt. Ihre Basttasche mit den zahllosen Ablegern hatten wir in den letzten Tagen zwar nicht herumschleppen müssen, aber sie stand unübersehbar im Zimmer und meistens im Weg. Normalerweise wurde das Gemüse ins Badezimmer verbannt, doch im Hinblick auf Naomi und ihre nicht geklärten Freßgewohnheiten hatte Irene die Tasche umquartiert. Im übrigen hatte sie ja auch zugeschlagen. Wann sie jemals das ganze Obst essen wollte, das sie sich hatte einpacken lassen, mochte der Himmel wissen.
Doch nicht nur wir beide waren Opfer dieser Warenvielfalt geworden, nein, alle schleppten an einer mehr oder weniger großen Obsttüte, als wir vor der als ungefährlich bezeichneten Kneipe zusammentrafen. Die ganze Situation erinnerte mich ein bißchen an Nizza, wo jeder Tourist den Blumenmarkt besucht und fast jeder mit zwei bis fünf Sträußen langstieliger Nelken zurückkommt. Sie sind ja so billig! Nach kurzer Zeit riecht es im Bus wie in einem Begräbnis-Institut, und später im Hotel werden die Blumen auf Rasierpinselgröße gestutzt, damit sie in die Zahnputzgläser passen.
Im Innern hielt das Restaurant nicht einmal das, was es von außen ohnehin kaum versprochen hatte: Plastikmobiliar und eine Theke, auf der in Glasbehältern bunte Säfte blubberten. Ein müde vor sich hin kreisender Ventilator verteilte die feuchtschwüle Luft.
»Nee, da bleibe ich lieber draußen.« Gleich an der Tür kehrte Irene wieder um. »Mal sehen, ob einer von den Obstverkäufern englisch spricht.«
Sie mußte wohl einen gefunden haben, denn sie kam nicht zurück. Sofort nutzte Ännchen die Gelegenheit zu einem Interview. Sie trennte sich von den Lodenschwestern und setzte sich zu mir. »I derf doch, gell? Do äm Fenschter isch’s doch ä bißle kühler.« Sie nippte an ihrem Pfefferkuchenkaffee und eröffnete das Gespräch mit einer harmlosen Frage. »Ihr Freindin schwätzt wohl gut englisch?«
»O ja, wesentlich besser als ich.«
»Des haw i mä denkt. Wisse Sie, i konn jo gar koins. Wie i zur Schul gonge bin, hewe mä des noch ned g’lernt. Awer moi Bernd, dä konn. Drum isch er jo a nach Amerika g’fahre.« Sie stärkte sich mit einem weiteren Schluck Kaffee und ging zum Angriff über. »Was i Sie scho immer frage wollt, senn Sie eigendlich verheirat?« Ihr Blick streifte meine unberingten Hände.
Nun hätte ich ihr ja sagen können, daß mir mein Trauring während der dritten Schwangerschaft zu eng geworden war, ich ihn vom Juwelier hatte aufsägen lassen, weggelegt und nie wieder gefunden hatte. Doch das ging Ännchen nichts an. So erklärte ich ihr nur, daß ich in der Tat verheiratet sei.
»Des hädd i net gedacht.«
»Nein? Warum denn nicht?«
Nun kam sie ins Stottern. »Weil… ja, Sie sehe gar ned verheirat aus. Warum
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