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Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Irene. »Warum gehen wir nicht durch ein anderes Tor? Es wird ja nicht vor jedem eine Bombe liegen.«
    »Dazu müßten wir ein Stück durch den Basar. Da wimmelt es aber von Militär. Das scheucht uns doch gleich wieder zurück.«
    Endlich bewegte sich etwas, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Ein seltsames Gefährt, kaum größer als ein Spielzeugpanzer, rollte langsam auf das verdächtige Fahrrad zu. Kurz davor blieb es stehen, Antennen wurden ausgefahren, ein leises Knattern war zu hören, sonst atemlose Stille. Zentimeterweise schob sich der ferngesteuerte ›Panzer‹ vorwärts, stoppte immer wieder, rückte weiter voran, bis er unmittelbar vor der herabhängenden Tasche zum Stehen kam.
    Wie gebannt starrte ich auf dieses merkwürdige Fahrzeug und wartete auf – ja, worauf eigentlich? Auf den Riesenknall? Auf herumfliegende Splitter? Auf zusammenstürzende Häuser? Vorsichtshalber zog ich Irene ein paar Meter zurück und brachte so ein Stück Mauer zwischen uns und diese verdächtige Handtasche.
    Minutenlang geschah überhaupt nichts. Dann bewegte sich ein in eine Art Taucherglocke verpackter Soldat auf das Fahrrad zu, nahm die Tasche herunter, warf einen ersten Blick hinein und räumte sie Stück für Stück aus. Zum Vorschein kamen lauter harmlose Gegenstände, darunter ein Schlüsselbund, eine Papiertüte mit Zwiebeln und zwei Stück Seife jener Sorte, wie sie angeblich Filmstars immer benutzen. Keine Bombe.
    Allgemeines Aufatmen. Nur der Mann mit dem Fotoapparat schien enttäuscht. »So’n bißchen hätte es ruhig knallen können. Wo bleibt jetzt die Pointe?«
    Die vermeintliche Gefahr war diesmal keine gewesen, aber trotzdem dauerte es noch eine ganze Weile, bis der Alarm aufgehoben wurde und wir endlich die Altstadt verlassen durften.
    »Jetzt haben wir mal hautnah erlebt, was sich stündlich in diesem Land abspielen kann«, sagte Irene nachdenklich. »Heute war es zum Glück blinder Alarm, aber weißt du, ob in der nächsten Straße nicht ein Auto genau in dem Augenblick in die Luft fliegt, wenn wir vorbeigehen?«
    Ich nickte. »Eine deprimierende Vorstellung. Ich glaube, hier muß man eine gehörige Portion Fatalismus aufbringen, um leben und überleben zu können. Ich bewundere diese Menschen.«
    An diesem Abend gingen wir früher schlafen als sonst. Das Erlebte hatte uns zu denken gegeben.
    Frau Marquardts Fehlen beim abendlichen Gulasch war niemandem aufgefallen, weil sowieso die halbe Belegschaft nicht zum Essen erschienen war, und Kakerlake Naomi hatte sich auch noch nicht zur Ruhe begeben, als ich unter Mißachtung sonst üblicher Vorsichtsmaßnahmen die Badezimmertür aufriß. Das Vieh hockte unter dem Waschbecken, glotzte mich an und machte nicht die geringsten Anstalten zu verschwinden. »Hau ab!«
    Naomi blieb sitzen. »Irene, dein Haustier scheint mich verwechselt zu haben. Ich werde den Verdacht nicht los, daß du es doch heimlich fütterst. Warum türmt es nicht endlich? Ich denke, die Biester sind so scheu?«
    »Es hat sich eben an uns gewöhnt.«
    Anscheinend war diese Vermutung falsch. Als nämlich meine Freundin in der Tür erschien, bereits im dunkelblauen Schlafanzug mit einer Ladung Creme im Gesicht, flitzte Naomi unter die Badewanne und kam trotz schmeichelnder Lockrufe nicht mehr zum Vorschein.
    »Siehste, in der Aufmachung treibst du jeden in die Flucht! Ich wollte dich sowieso schon fragen, welchen Erfolg du dir von dieser gelben Paste versprichst.«
    »Gar keinen«, kam es zurück. »Ich hab’ mir das Zeug in Florida gekauft, vermutlich in einem Anfall geistiger Umnachtung, als ich die ganzen auf Teenager getrimmten Altenheimbewohner gesehen habe. Jetzt muß ich den Kleister wenigstens aufbrauchen, er war nämlich höllisch teuer.«
    »Bist du sicher, daß es sich nicht um irgendeinen obskuren Brotaufstrich handelt?« Farbe und Konsistenz hatten nämlich eine fatale Ähnlichkeit mit Erdnußbutter.
    »Auf der Packungsbeilage stand etwas von ›Regenerations-Creme für die reifere Haut‹.«
    »Reif?« Ich wagte einen kurzen Blick in den Spiegel. »Manchmal fühle ich mich schon überreif! Nach jedem Geburtstag brauche ich rund fünf Jahre, um mich an mein neues Alter zu gewöhnen.«
    Sie krabbelte ins Bett. »Mach es doch wie ich! Ich zähle gar nicht mehr.«
    »Hab’ ich schon versucht, klappt aber nicht. Rolf hat mal gesagt, Frauen wurden Unmögliches verlangen. Ihre Männer sollen zwar ihr Alter vergessen, sich aber immer an ihre Geburtstage erinnern. Darauf würde ich

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