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Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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mir mitgeben. Vielleicht könnten wir ja ins Geschäft kommen. Oder ob ich nicht lieber selbst mitgehen und mir ansehen wolle, was aus den Dingern rauskommt. In seinem Garten würden sie gerade blühen.«
    »Da bist du einfach so mitgetigert?«
    »Warum denn nicht? Es war ja nicht weit weg. Wenn ich geschrien hätte, hättet ihr mich hören müssen.«
    »Vorausgesetzt, jemand hätte darauf geachtet. Die hocken doch alle da drüben in der Kaschemme und zählen die Fliegen an den Wänden.«
    Meine Besorgnis konnte sie nicht verstehen. »Ihr seid einfach zu ängstlich. Wie soll man denn Land und Leute kennenlernen, wenn man sich zu sehr abschottet? Achmed hat mich mit seiner Frau bekannt gemacht und mit seinem Sohn, ein wonniges Kerlchen mit ganz großen dunklen Augen. Ich mußte Tee trinken und höllisch scharfe Fleischbällchen essen – Felafel heißen die, muß ich mir merken –, und die ganze Zeit haben wir uns über Gott und die Welt unterhalten. Nur nicht über Politik, weil ich gleich gesagt habe, daß ich davon zuwenig verstehe. Was mich so beeindruckt, ist die Gastfreundschaft bei diesen Menschen. Würdest du denn einen Araber gleich in dein Haus bitten, wenn er dich auf der Straße anspricht?«
    »Wohl kaum«, mußte ich zugeben. »Das kriegt bloß Sascha fertig.«
    »Im Ernst?«
    »Na ja, es ist schon eine Weile her«, sagte ich. »Er war damals vier Jahre alt und gerade aus Italien zurückgekommen, wo ich ihn bis zu Steffis Geburt bei meiner Mutter untergestellt hatte. In dem halben Jahr hatte er fließend italienisch gelernt, und als kurz darauf bei uns die halbe Straße aufgebuddelt wurde, hat Sascha die ganze Baukolonne kurzerhand zum Mittagessen eingeladen. Bis auf den Kapo waren alle Italiener. Sechs Mann.«
    »Und was haste gekocht? Spaghetti?« fragte sie lachend.
    »Denkste ich wollte mich blamieren? Bratkartoffeln und Spiegeleier hat es gegeben. Von beidem hatte ich noch genug im Haus gehabt.«
    Seine kosmopolitischen Anwandlungen hat Sascha ja auch beibehalten, sonst hätte ich jetzt keine englische Schwiegertochter.
    Niemand bemerkte uns, als wir wieder das Restaurant betraten, denn inzwischen waren die Wüstenwanderer eingetroffen. In allen Stadien der psychischen und physischen Erschöpfung hockten sie auf den Stühlen und kippten literweise Flüssigkeit in sich hinein. Betti kühlte ihre Füße in einer Plastikschüssel mit Wasser, Heini hatte sich um seine Glatze ein nasses Handtuch gewickelt, und Frau Terjung trug noch immer Turnschuhe – ein Zeichen dafür, daß sie sich noch nicht genügend regeneriert hatte. Anscheinend hatte es sich wohl doch nicht nur um einen harmlosen Spaziergang gehandelt. Sehr steil sei der Weg gewesen und schmal, nicht mal richtig gesichert und links immer den Abgrund vor Augen. »Zu trinken hat’s auch nichts gegeben, keinen Klosterkeller mit selbstgebrautem Bier, wie es sich für ein anständiges Kloster gehört«, witzelte Herr Terjung. »Wir haben ja nicht mal einen Mönch gesehen.«
    Irene blinzelte mir zu. Nein, anscheinend hatten wir wirklich nichts versäumt. Bis heute bin ich den Verdacht nicht losgeworden, daß Frau Marquardt diese Exkursion absichtlich ins Programm genommen hatte, denn sie mußte ja schon vorher über die gespannte Lage in Jericho Bescheid gewußt haben. Weshalb sonst war sie gestern hergefahren? Diese müde herumhängenden Wanderer sahen nicht so aus, als ob sie auf eine intensivere Erkundung der Oase noch großen Wert legten.
    »Ich glaube, wir sollten jetzt erst einmal etwas essen«, schlug sie vor. »Dabei können wir uns ein bißchen erholen, und später besuchen wir den Herodes-Palast.«
    »Aber erst sehr viel später«, kam es aus einer Ecke.
    Wir wurden in den Nebenraum gebeten, wo schon zu einer Tafel zusammengeschobene gedeckte Tische auf uns warteten. Das kulinarische Angebot erschöpfte sich außer in Hummus und Tahina in zwei weiteren Gerichten mit unaussprechlichen Namen, doch wer wollte, konnte auch etwas mit Hühnern bekommen. Wir wollten alle. In Anbetracht der Zeitspanne, die zwischen Bestellung und Servieren des Menüs lag, darf man getrost annehmen, daß zumindest ein Teil der Hühner erst eingefangen und geschlachtet werden mußte. Aber wir hatten ja genügend Zeit und nun auch genügend Gelegenheit, Spekulationen über die uns heute abend zuerwartende ›Überraschung‹ anzustellen. Menachem hatte sie angekundigt, war jedoch zu weiteren Informationen nicht bereit gewesen. Sonst sei es ja keine Überraschung

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