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Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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ersten Touristen auf den Berg gebaggert. Sie sahen beneidenswert ausgeschlafen aus. »Jetzt sollten wir aber verschwinden. Bald treten sich die Besucher hier oben gegenseitig auf die Füße.«
    Frau Marquardt stopfte ihre Abfälle in die Tüte zurück. »Bitte nichts liegenlassen, unten gibt es Mülltonnen!«
    Überflüssige Mahnung, wir kamen schließlich aus Deutschland, wo die Recyclingbewegung schon besser funktionierte, als ihren Erfindern lieb war.
    »Wer gut zu Fuß und schwindelfrei ist, kann mit mir den Schlangenpfad hinuntergehen«, schlug Frau Marquardt vor, »die anderen nehmen die Seilbahn.«
    Betti hatte nur etwas von Schlange gehört. »Sind die giftig?«
    »Was soll giftig sein?«
    »Na, die Schlangen.«
    Es dauerte einen Moment, bis bei Frau Marquardt der Groschen gefallen war, doch dann lachte sie laut los. »Der Weg heißt Schlangenpfad, weil er sich in Serpentinen abwärts windet, nicht, weil es dort Schlangen gibt.«
    »Wenn aber nun doch…?«
    »Nehmen Sie lieber den bequemeren Weg.«
    »Meinen Sie die Rampe?«
    »Nein!!!« Noch ein Wort von ihr, und Frau Marquardt wäre aus der Haut gefahren. »Nicht über die Rampe! Der Bus wartet schon auf der anderen Seite.«
    »Ach, Sie meinen die Seilbahn?« Endlich hatte Betti begriffen. »Damit wollte ich sowieso fahren.«
    Auch ich stand vor einer schwierigen Entscheidung. Hier dieser steile Trampelpfad ohne Geländer, und da das dünne Seil mit dem Käfig dran, der gerade wieder so bedrohlich über dem Abgrund schaukelte. »Läufst du oder fährst du?«
    Irene zögerte noch einen Moment, dann hatte sie sich entschieden. »In der Bahn habe ich nur vier Minuten Angst, auf diesem Maultierpfad mindestens zwanzig.«
    Ich war mir noch immer nicht schlüssig geworden, als Menachem auf uns zukam. »Wollen Sie hier oben überwintern?«
    »Ist diese Gondel schon mal abgestürzt?«
    »Soviel ich weiß, nein. Sie bleibt bloß ab und zu mal hängen.«
    »Und was geschieht dann?«
    »Das weiß ich nicht, aber Todesfälle hat es noch nie gegeben.«
    Es gab auch diesmal keinen, doch aufgeatmet habe ich erst, nachdem die Kabine unten angekommen war. Zu den ausgesprochenen Feiglingen gehöre ich wirklich nicht, aber ich bin ungern Situationen ausgesetzt, die ich nicht beeinflussen kann. Hängt man in so einer Gondel zwischen Himmel und Erde fest, bleibt einem nichts anderes übrig als zu warten, bis man rausgeholt wird. Kentert man mit einem Ruderboot, hat man wenigstens die Möglichkeit zu schwimmen!
    »Nun können Sie sich etwas erholen und die Fahrt entlang des Toten Meeres genießen«, versprach Frau Marquardt, als endlich der letzte Schlangenpfadwanderer japsend in den Bus gestiegen war: »Wir befinden uns jetzt dreihundertsechsundneunzig Meter unter dem Meeresspiegel, also am tiefsten Punkt der Erde.«
    Sie schwieg, bis wir ob dieser Tatsache genug gestaunt hatten, dann fuhr sie fort: »Das Meer ist achtzig Kilometer lang und achtzehn Kilometer breit. Sein Salzgehalt beträgt ungefähr dreiunddreißig Prozent. Das Mittelmeer hat dreieinhalb Prozent.«
    Wieder staunten wir, denn das wurde offensichtlich von uns erwartet. Und dann kam von Gustl die dämlichste Frage, die ich jemals gehört habe: »Menachem, warum wird das Tote Meer eigentlich nicht begraben?«
    Keine Miene hatte er dabei verzogen, er wartete im Gegenteil todernst auf eine Antwort. Bekommen hat er sie nie, weil wir immer noch lachten, als Shimon auf der Suche nach einem schattigen Parkplatz die Palmen neben der Straße inspizierte.
    En Gedi ist die größte Oase am Toten Meer und fest in kommerziellen Händen. In Deutschland hätte man diesem Ort schon längst die Bezeichnung ›Bad‹ verliehen, denn gebadet wird hier das ganze Jahr über, weil es so gesund sein soll. Sieht man mal von dem einen Drittel Salz ab, das fürchterlich juckt, sobald man aus dem Wasser kommt, so enthält das Meer auch noch Magnesium, Kalzium, Natrium und Brom. In Form von Pillen oder Sprudeltabletten kriegt man das Zeug auch in der Apotheke, doch das ist vermutlich längst nicht so wirkungsvoll, wie wenn man darin badet. Außerdem darf man den Schlamm nicht vergessen, der ist nämlich auch sehr gesund.
    Am Strand, der im Gegensatz zu mir bekannten Stränden nicht weiß ist, sondern dunkelbraun, fielen mir als erstes zwei nicht mehr ganz junge Frauen auf, die sich gegenseitig den feuchten Sand auf den Körper klatschten und sich zum Trocknen in die Sonne setzten. Nach fünf Minuten sahen sie aus wie grob behauene

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