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Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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nicht erst erwähnen.
    Ich fand mich also damit ab, morgen auf diesen vertrackten Berg klettern zu müssen. Hollarodiöh!

13
    Der Wecker bimmelte, als ich gerade erst eingeschlafen war. Zumindest kam es mir so vor. »Schmeiß das Ding endlich an die Wand! Das orientiert sich doch am Kalender und nicht an der Uhrzeit!« Ich zog die Decke über den Kopf, nicht bereit, auch nur einen Fuß aus dem Bett zu strecken. Da klingelte das Telefon, und das stand auf meiner Seite. Erst rutschte mir der Hörer aus der Hand, dann fiel der ganze Apparat runter, doch das freundliche »Good morning, this is your wake up-call!« war trotzdem nicht zu überhören. Die Stimme klang widerlich munter.
    Irene hatte genausowenig Lust zum Aufstehen wie ich. Wir grunzten uns nur gegenseitig an, krochen schließlich aus den Betten und begannen mit dem, was man morgens so tut. Ich wollte gerade die Dusche aufdrehen, als sie mich anbrüllte: »Baden verboten! Waschen sollst du dich im Toten Meer!«
    »Darf ich mir wenigstens die Zähne putzen und meinen Waschlappen befeuchten? Wir leben schließlich nicht zur Zeit von Louis vierzehn. Die haben sich bloß parfümiert.«
    Schweigend deutete sie auf die Flasche mit dem Orangenblütenwässerchen. Obwohl ich sie schon in zwei Plastiktüten gesteckt und mit Gummibändern umwickelt hatte, verströmte sie immer noch einen sehr intensiven Geruch. Sogar der Kofferinhalt hatte so viel davon abgekriegt, daß ich mir wie ein wandelnder Apfelsinenbaum vorkam.
    Ein paar Liter von dem kostbaren Leitungswasser haben wir aber doch verbraucht; Stöpsel ins Becken und dann Katzenwäsche wie einst als Zehnjährige, wenn man wenigstens so tun mußte, als ob. Omi hatte bei mir immer nachgeprüft, ob die Seife naß war. Später habe ich meine eigenen Kontrollgänge auch noch auf die Handtücher ausgedehnt. Im Gegensatz zu ihm selbst hatten die von Sascha häufig getropft, doch seine Behauptung, sie seien ihm ins Waschbecken gerutscht, habe ich nie beweiskräftig widerlegen können.
    Die anderen hatten sich schon in der Halle verteilt, als wir zu ihnen stießen. Wer keinen Stuhl mehr gefunden hatte, hockte auf seinem Koffer. Der Speisesaal war abgeschlossen, also kein Frühstück. Auch von der Rezeptionsdame mit ihrer penetrant fröhlichen Stimme war nichts zu sehen. Wahrscheinlich war sie wieder schlafen gegangen. Oder doch nicht? Von weiter hinten, wo ich die Küche vermutete, hörte man Tellerklappern.
    »Jetzt gibt’s doch Friehstick. I hab’ mä scho gedenkt, daß die uns ned so oifach gehe losse. Wir hewe doch für des Esse bezahlt.«
    Das bekamen wir ja auch, und zwar in Form von Papiertüten. Sie wurden gleich in den Bus gebracht, woraus ich schloß, daß wir ihren Inhalt lieber erst dann inspizieren sollten, wenn Reklamationen zwecklos sein würden.
    »Will jemand Kaffee?« Frau Marquardt winkte mit zwei Fünfliterkannen, die unentdeckt auf einem Beistelltischchen irgendwo in einer Ecke gestanden hatten.
    »Aber klar!« – »Immer!« – »Gibt’s keinen Tee?« – »Her damit, vielleicht werde ich danach endlich wach! « – »Ist das koffeinfreier?«
    Menachem erschien mit einem Tablett voll Tassen. »Zucker ist da, Milch habe ich nicht gefunden.« – Die hätte das Gebräu auch nicht genießbarer gemacht. Offenbar hatte man die beiden Isolierkannen schon gestern abend gefüllt, denn der Kaffee war lauwarm und schmeckte grauenvoll.
    »Er erinnert mich ein bißchen an Muckefuck.« Frau Conrads schob ihre Tasse zur Seite. »Den habe ich aber schon damals so gut wie nie getrunken.«
    »Mucke was?«
    Sie lächelte. »Muckefuck. So wurde der Ersatzkaffee genannt, den wir während des Krieges und auch lange danach bekamen. Seien Sie froh, Gregor daß Sie ihn nicht mehr kennengelernt haben. Woraus er bestanden hat, kann ich Ihnen nicht sagen, er schmeckte nach jeder Zuteilungsperiode anders.«
    »War er tatsächlich so schlimm?« Als damals Elfjährige hatte ich mehr auf künstlicher Brause gestanden als auf Bohnenkaffee, aber ich kann mich noch gut an gelegentliche Seufzer von Omi erinnern, die abwechselnd ein Königreich oder ihre Wochenration Brotmarken für eine Tasse ›richtigen‹ Kaffee zu geben bereit gewesen war.
    »Noch schlimmer!« sagte Frau Conrads.
    Schließlich verließen wir die gastliche Stätte, um endlich der aufgehenden Sonne entgegenzufahren. »Im Frühtau zu Berge wir ziehn, fallera …«, begann Anneliese. Wenigstens einen von uns hatte die schwarze Brühe munter gemacht.
    Dösend hingen

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