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Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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dann schob er Claudia vor sich her. »Komm erst mal weg hier.« In gebührendem Abstand folgte der Troß und sah zu, wie der Fahrstuhl mit den beiden nach oben fuhr. Offenbar hatte Claudia schon das gemeinsame Zimmer bezogen.
    Betti tupfte sich eine Träne aus dem Auge. »Der Uwe hat mir ja so leid getan. Sonst trinkt er nie, hat er gesagt, das war alles nur wegen der Claudia. Die hat ihn gar nicht verdient.«
    »Ich komme mir vor wie in einer Fernsehschnulze«, sagte Irene, nachdem sie unseren Schlüssel geholt und festgestellt hatte, daß wir doch nicht unser altes Zimmer haben würden, »alles verziehen, alles vergessen!«
    »Abwarten, vielleicht kriegen sie sich ja doch noch in die Wolle. Wo sind eigentlich unsere Koffer?«
    »Die werden gleich gebracht.«
    Ich wollte mir gerade die Hände waschen, als aus dem gegenüberliegenden Zimmer ein markerschütternder Schrei ertönte, unverkennbar von Betti. Wir sahen uns beide an. »Naomi!!!«

14
    Das Heilige Land, in dem wir zehn Tage lang herumgezogen waren, hatte auch weniger gläubige Gemüter friedlich gestimmt. Das Ehepaar Terjung saß wieder einträchtig nebeneinander, was möglicherweise dem hübschen Brilli an Susannes kleinem Finger zu verdanken war, Claudia strahlte ihren Uwe an, und sogar Betti war des Lobes voll über ihre Zimmergenossin. Hatte sie doch mutig den Aschenbecher über das gräßliche Tier im Bad gestülpt, einen Bogen Papier darunter geschoben und auf diese Weise den unliebsamen Mitbewohner aus dem Fenster befördert. Hoffentlich hatte Naomi den Sturz vom dritten Stock überlebt.
    So saßen wir in schönster Eintracht an der Tafel und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Neben jedem Platz lag eine Speisekarte, in Hebräisch zwar, aber mit lateinischen Buchstaben, also zumindest lesbar.
    »Was es ist, weiß ich nicht, aber es hört sich interessant an. Ich nehme mal Kapit, Tzaláchat – das klingt nach Salat – und vielleicht noch Meltzarit. Mal sehen, was da aufgefahren wird.«
    Menachem verschluckte sich beinahe an seinem Bier, als er meine Menüzusammenstellung hörte. »Vielleicht sollten Sie Ihre Serviette mal ganz auseinanderfalten.«
    Wieso Serviette? Bei dem geschickt zusammengelegten Papierbogen hatte ich gar nicht bemerkt, daß nicht nur die eine Seite bedruckt war, sondern die ganze Fläche. Die vermeintliche Speisekarte war lediglich ein Miniwörterbuch mit ein paar Standardbegriffen. Jetzt hätte ich mir doch beinahe einen Teller samt Teelöffel bestellt, garniert mit einer Kellnerin. Sehr blamabel!
    Die richtigen Karten kamen aber auch noch. Wenig später schwelgten wir entweder in Kalbsschnitzel, Hühnerfrikassee oder Felafel, den von Irene so gelobten Fleischklößchen. Ihr Verzehr durch Touristen wird von Gastronomen sicher gern gesehen, denn sie fördern den Getränkeumsatz. Trotzdem kann ich sie nur empfehlen!
    Noch im Zimmer hatten wir beide überlegt, ob überhaupt, und falls ja, auf welche Weise wir unsere Mitreisenden über unseren völlig normalen Lebenswandel aufklären sollten. »Weißt du, eigentlich ist es mir wurscht, was die paar Klatschmäuler von uns denken. Seitdem ich Ännchen dummerweise von meinem fünffachen Nachwuchs erzählt habe, nimmt mir doch sowieso niemand mehr die Lesbe ab.«
    »Mir bestimmt! Dann habe ich dich eben verführt.« Irene schien die Sache immer noch einen Heidenspaß zu machen. »Warum grinst du so blöd?«
    »Weil ich mir die Verführung gerade vorzustellen versuche.«
    Eine Weile alberten wir noch herum, dann entschieden wir, es einfach darauf ankommen zu lassen. Sollte sich eine passende Gelegenheit ergeben, würden wir sie nutzen, falls nicht, würden wir es bleibenlassen.
    Nach dem Essen zogen wir geschlossen in die Bar. Menachem hatte sie für den Abend requiriert, woraufhin der Barkeeper sofort Verstärkung holte; solchem Andrang sah er sich wohl nicht gewachsen.
    Die unerläßlichen Reden begannen. Frau Marquardt bedankte sich für die Aufmerksamkeit, die Disziplin und den guten Zusammenhalt der Gruppe, Menachem bedankte sich, weil wir überhaupt gekommen waren, und dann bedankte sich Herr Terjung im Namen aller für die ausgezeichnete Reiseleitung. Doch diese wohlgesetzten Worte waren gar nichts gegen das Poem, verfaßt von Anneliese und Waltraud, vorgetragen im Duett. Von Menschlichkeit war die Rede und von stets bereit, von Sand und helfender Hand, von Bethlehem und Menachem (Betonung auf der ersten Silbe), aber als sich ganz zum Schluß noch sehr apart auf Marquardt

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