Muss ich denn schon wieder verreisen?
Statuen.
»Ob ich das auch mal versuche?« überlegte Irene laut. »Wie war das doch noch mit den Raupen? Die verpuppen sich, und wenn sie aus dem Kokon schlüpfen, sind sie wunderschöne Schmetterlinge.«
»Aus dir wird keiner mehr«, dämpfte ich ihren Optimismus. »Rheuma haste noch nicht, und die Falten kriegste mit der Pampe auch nicht weg. Also kannst du dir die Schlammschlacht sparen.«
Waltraud steckte schon bis zu den Schenkeln in dem braunen Kleister. Sie litt unter Krampfadern und war der Meinung, wenn der Sand nicht helfen würde, so wäre er zumindest nicht schädlich.
»Willst du dich nicht endlich mal entblättern?«
Dazu hatte ich überhaupt keine Lust mehr. Von nahem sah das Meer alles andere als einladend aus – eine dunkelgraue Brühe, die nicht mehr glitzerte, sondern ohne jede Bewegung einfach nur dalag. Kein bißchen Dünung, keine Wellen, nur eine glatte bleifarbene Fläche. »Das ist kein Meer, das ist eine überdimensionale Jauchegrube!«
Es half nichts, ich mußte trotzdem hinein. Irene bestand darauf. Kaum bis zu den Knien drin, klammerte sich Ännchen an mir fest. »I kumm nimmä hoch!«
Bei dem Versuch, sie wieder auf die Beine zu stellen, verlor ich das Gleichgewicht und platschte in voller Länge ins Wasser. Im selben Augenblick hatte ich das Gefühl, in ein Rudel Feuerquallen gestürzt zu sein. Mein ganzer Körper brannte, doch dann konzentrierte sich der Schmerz auf vier Stellen am rechten Bein. Na klar, die kleinen Schürfwunden, Andenken an den Spurt quer über die Masada, als ich etwas zu knapp an der Mauer vorbeigeschossen war. In grauer Vorzeit soll eine beliebte Folter darin bestanden haben, den Delinquenten Salz in offene Wunden zu streuen, aber so etwas tut man sich ja nicht freiwillig an! Daß Ännchen noch immer auf allen vieren herumkroch, war mir egal, bloß raus aus dieser Salzlake! Irene, Fotoapparat vorm Gesicht, protestierte. »Du legst dich sofort wieder hin! Ich habe doch noch gar nicht draufgedrückt.«
»Dazu wirst du auch keine Gelegenheit mehr haben!«
»Hier wird nicht gekniffen!« Ehe ich mich’s versah, hatte Gustl schon meine Hand gepackt und zog mich hinter sich her.
»Nein, nicht!!! Das brennt so!« Zu spät, ich lag schon wieder drin. Diesmal hatte ich sogar einen Spritzer ins Auge bekommen. Automatisch fuhr ich mit dem Finger durch. Danach brannte es noch mehr. Ich drehte mich auf den Rücken, und tatsächlich – ich ging nicht unter, sondern dümpelte an der Oberfläche wie die Badeente in der Wanne.
Neben mir trieb Betti vorbei. »Wollen Sie die auch mal haben?« Sie reichte eine völlig durchweichte Zeitung herüber.
»Was soll ich damit?«
»Na, fürs Foto.«
Richtig! Im Toten Meer hat man sich Zeitung lesend ablichten zu lassen als Beweis dafür, daß man dort gewesen ist. Ich hab’ mal versucht, die gleiche Aufnahme am Indischen Ozean zu türken, aber das hat nicht geklappt.
Fünf Bilder hat Irene geknipst, eins sogar als Nahaufnahme, damit man auch das Triefauge ganz deutlich sieht und die runde Erhöhung, die in der Körpermitte aus dem Wasser ragt, dann durfte ich endlich wieder an Land und sofort unter die Süßwasserdusche. Desinfiziert waren die Wunden bestimmt, gebrannt haben sie noch Stunden danach.
Liegestühle muß man bezahlen, der Schirm kostet extra, nur die Sonne ist gratis. Also heroischer Verzicht auf Bequemlichkeit, statt dessen Kopf auf einen Stein gebettet, den Rest in den Sand gelegt. War nicht sehr effektiv.
»Ich hab’ Durst«, sagte Irene. Kein Wunder bei so viel Salz drumherum.
»Na gut, gehen wir was trinken.«
Besucher, die sich nur stundenweise in En Gedi aufhalten, brauchen keine Kurtaxe zu zahlen, die wird ihnen auf andere Weise abgeknöpft, zum Beispiel in Form von Getränkepreisen. Und trotzdem hockte die halbe Busbelegschaft im Restaurant und kippte Bier in sich hinein. Vor Uwe standen schon drei Flaschen, die vierte zog ihm Betti gerade vor der Nase weg.
»Alle sehen, wenn ich besoffen bin, aber keiner sieht, wenn ich Durst habe«, lallte er.
»Du hast genug!« bestimmte Betti. »Alkohol macht gleichgültig.«
»Is mir doch egal.«
Ännchen räumte den neben ihr stehenden Stuhl leer. »Hocket Se sich doch ä bißle zu uns.«
»Nein, danke«, sagte Irene sofort, »wir wollen uns noch den Ort ansehen. Hier soll es einen sehr schönen Naturschutzpark geben.«
»Park ist immer gut«, witzelte Anneliese, »besonders, wenn’s dunkel ist.«
Na warte, du dumme Nuß, heute abend wird dir
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