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Muster - Steffen-Buch

Muster - Steffen-Buch

Titel: Muster - Steffen-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raidy
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legte meinen Gang aufs Klo so, dass ich direkt, nachdem die Lieferung mit der Tiefkühlkost angekommen war, in die Cafeteria schleichen konnte. Ich schnappte mir ein paar Schachteln und stürmte zum Klo. Dort schlang ich die gefrorenen Hotdogs und Fritten so gierig hinunter, dass mir das Essen fast im Hals stecken blieb. Nachdem ich mir den Bauch voll geschlagen hatte, kehrte ich ins Klassenzimmer zurück und war stolz, dass ich mich mit Nahrung versorgt hatte.
    Während ich am Nachmittag von der Schule nach Hause rannte, konnte ich an nichts anderes denken, als die Aktion am nächsten Tag zu wiederholen. Minuten später trieb Mutter mir meine hochfahrenden Pläne gründlich aus. Sie zerrte mich ins Badezimmer und boxte mich so fest in den Magen, dass ich mich zusammenkrümmte. Sie hielt mich über die Kloschüssel und befahl mir, mir den Finger in den Hals zu stecken. Ich wehrte mich. Ich versuchte es mit meinem alten Trick, im Geiste zu zählen, während ich in die porzellanene Kloschüssel starrte.
    »Eins... zwei...« Ich kam nie bis drei. Mutter rammte mir ihren Finger in den Mund, so als wolle sie mir den Magen aus dem Leib reißen. Ich wand mich in alle Richtungen, um mich gegen sie zu verteidigen. Sie ließ schließlich von mir ab, aber erst, als ich ihr versprach, mich zu übergeben.
    Ich wusste, was als Nächstes passieren würde. Ich schloss die Augen, als rote Fleischstücke in die Kloschüssel fielen. Mutter stand, die Arme in die Hüften gestemmt, hinter mir und sagte: »Hab ich's mir doch gedacht. Das werde ich deinem Vater erzählen!« Ich wappnete mich gegen die Lawine von Schlägen, die ich erwartete, aber nichts geschah. Nach ein paar Sekunden drehte ich mich um und entdeckte, dass Mutter das Badezimmer verlassen hatte. Aber ich wusste, dass der Spuk noch nicht vorbei war. Augenblicke später kam sie mit einer kleinen Schüssel wieder und befahl mir, die halb verdaute Nahrung aus der Toilette zu schöpfen. Da Vater gerade einkaufen war, sammelte sie Beweise für seine Rückkehr.
    Am Abend, als ich all meine Pflichten erledigt hatte, musste ich mich neben den Küchentisch stellen, während sie und Vater im Schlafzimmer miteinander sprachen. Vor mir stand die Schüssel mit dem Erbrochenen. Ich konnte den Anblick nicht ertragen, so dass ich die Augen schloss und mir vorzustellen versuchte, dass ich weit weg sei.
    40

    Kurze Zeit später stürmten Mutter und Vater in die Küche. »Schau dir das an«, blaffte Mutter, auf die Schüssel weisend. »Glaubst du jetzt immer noch, dass der Junge kein Essen mehr stiehlt?«
    An Vaters Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, dass er das ewige
    »Schau, was der Junge jetzt wieder getan hat« inzwischen gründlich satt hatte. Er starrte mich an, schüttelte abwehrend den Kopf und stam-melte: »Nun, Roerva, wenn du dem Jungen auch NIE etwas zu essen gibst.«
    Das führte zu einem erhitzten Wortgefecht, aus dem Mutter wie immer als Siegerin hervorging. »ESSEN? Du willst, dass der Junge etwas zu essen bekommt, Stephen? Nun, der Junge wird etwas ESSEN!
    Er kann das hier essen!«, brüllte Mutter aus vollem Hals, schob mir die Schüssel vor die Nase und stürmte ins Schlafzimmer.
    In der Küche wurde es so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Ich sah, wie Vater nach Luft rang. Er legte mir behutsam die Hand auf die Schulter und sagte: »Warte hier, Tiger. Ich werde sehen, was ich für dich tun kann.« Er kehrte ein paar Minuten später zurück, nachdem er versucht hatte, Mutter ihr Vorhaben auszureden.
    An seinem traurigen Gesichtsausdruck erkannte ich sofort, wer gesiegt hatte.
    Ich setzte mich auf einen Stuhl und nahm mit spitzen Fingern eines der Hotdogstücke aus der Schüssel. Dicker Speichel tropfte mir von den Fingern, als ich mir den Fleischklumpen in den Mund schob. Als ich versuchte zu schlucken, begann ich zu wimmern. Ich wandte mich zu Vater um, der mit einem Drink in der Hand dastand und durch mich hindurchsah. Er bedeutete mir mit einem Kopfnicken weiterzuessen. Es wollte mir nicht in den Kopf, dass er tatenlos zusah, wie ich das Erbrochene aus der Schüssel aß. In diesem Augenblick wusste ich, dass wir immer weiter auseinander drifteten.
    Ich versuchte, das Zeug hinunterzuschlucken, ohne den säuerlichen Geschmack wahrzunehmen, bis ich spürte, wie eine Hand meinen Nacken umklammerte. »Kau es!«, blaffte Mutter. »Iss es! Iss alles auf«, sagte sie, auf das Erbrochene weisend. Ich sank auf meinem Stuhl zusammen und weinte Rotz

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