Muster - Steffen-Buch
grapschte ich, ohne weiter nachzudenken, den erstbesten Gegenstand, den ich auf dem Regal sah, und nahm die Beine in die Hand, um aus dem Laden zu entwischen und zur Schule zurückzuren-nen. Meine Trophäe - eine Packung Grahamkräcker - hielt ich fest umklammert in der Hand.
Als ich mich der Schule näherte, verbarg ich meinen Schatz unter meinem T-Shirt auf der Seite, die keine Löcher hatte. Ich rannte zum Jungenklo und versteckte die Packung Kräcker im Mülleimer. Am Nachmittag sagte ich zu meinem Lehrer, dass ich mal auf die Toilette müsste, und spurtete zurück zum Jungenklo, um meinen Schatz zu verschlingen. Mir lief schon das Wasser im Mund zusammen, aber als ich in den Mülleimer schaute, wurde ich bitter enttäuscht. Da hatte ich mir alles so sorgfältig zurechtgelegt und so darum gerungen, ob ich es wagen sollte, im Laden etwas zu essen zu stehlen - alles umsonst. Der Hausmeister hatte den Mülleimer geleert, ehe ich mich wegstehlen konnte.
An jenem Tag scheiterte mein Plan, aber bei anderen Versuchen hatte ich mehr Glück. Einmal gelang es mir, meine Beute in meinem Pult zu verstecken, nur um am nächsten Tag erfahren zu müssen, dass man mich in die Schule auf der gegenüberliegenden Straßenseite ge-steckt hatte. Ich hatte zwar den Verlust meines Schatzes zu beklagen, aber ansonsten kam mir der Schulwechsel gelegen. Jetzt hatte ich eine neue Lizenz zum Stehlen. Ich konnte nicht nur meine Klassenkameraden beklauen, sondern sprintete auch etwa einmal in der Woche zum Lebensmittelladen. Manchmal hatte ich im Laden das Gefühl, dass die Gelegenheit nicht günstig war und stahl nichts. Aber wie immer wurde ich letzten Endes doch erwischt. Der Ladeninhaber rief Mutter an. Zu Hause bezog ich eine gehörige Tracht Prügel. Mutter wusste, warum ich Essen stahl, und Dad ebenso, aber sie ließ mich trotzdem weiter 38
hungern. Je ausgehungerter ich war, desto mehr Mühe gab ich mir, Ideen zu entwickeln, wie ich an Nahrung herankommen konnte.
Nach dem Abendessen schabte Mutter gewöhnlich die Essensreste von den Tellern und warf sie in einen kleinen Mülleimer. Dann zitierte sie mich aus der Garage, wo ich stand, während die Familie aß, herbei.
Ich musste immer den Abwasch machen. Wenn ich mit den Händen im kochend heißen Spülwasser dastand, stieg mir der Geruch der Essensreste in dem kleinen Mülleimer in die Nase. Zuerst wurde mir bei der Vorstellung, die Essensreste aus dem Mülleimer zu klauben, übel, aber je mehr ich darüber nachdachte, desto besser erschien mir meine Idee.
Es war meine einzige Hoffnung. Ich erledigte den Abwasch so schnell wie möglich und leerte den Mülleimer in der Garage aus. Beim Anblick der Essensreste lief mir das Wasser im Mund zusammen, und ich pickte die guten Stücke heraus, während ich Papierfetzen oder Zigaretten-stummel beiseite schob, und schlang das Essen so schnell hinunter, wie ich konnte.
Wie üblich, kam ich auch mit dieser Taktik nicht lange durch. Mutter bereitete ihr abrupt ein Ende, als sie mich bei meiner Müllaktion erwischte. Danach wagte ich ein paar Wochen lang nicht mal den Versuch, aber ich musste schließlich wieder darauf zurückgreifen, um meinen knurrenden Magen zum Schweigen zu bringen. Einmal aß ich Schweinefleischreste. Stunden später krümmte ich mich vor Schmerzen. Ich hatte eine Woche lang Durchfall. Während ich krank war, verriet Mutter mir, dass sie das Fleisch absichtlich zwei Wochen lang im Kühlschrank gelassen hatte, ehe sie es wegwarf, damit es verdarb.
Nach einiger Zeit musste ich Mutter den Mülleimer regelmäßig zur Couch bringen, auf der sie lag, damit sie überprüfen konnte, ob noch alles da war. Sie kam nie auf die Idee, dass ich Essen in Küchenpapier einwickelte und auf dem Boden des Mülleimers versteckte. Ich wusste, dass sie sich nicht die Finger schmutzig machen wollte und den Müll nicht bis zum Boden durchwühlen würde. Somit funktionierte meine Taktik für eine Weile.
Mutter merkte jedoch, dass ich auf irgendeine Weise an Essen kam.
Deshalb begann sie, einige Spritzer Salmiakgeist in den Mülleimer zu geben. Danach gab ich es auf, zu Hause den Mülleimer zu durchforsten, und konzentrierte meine Bemühungen darauf, in der Schule andere Möglichkeiten zu finden, um etwas Essbares zu ergattern. Nachdem ich erwischt worden war, als ich anderen Kindern etwas aus ihren Lunch-39
paketen stibitzte, hatte ich als nächstes die Idee, mir in der Schulcafete-ria Tiefkühlgerichte unter den Nagel zu reißen.
Ich
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