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Muster - Steffen-Buch

Muster - Steffen-Buch

Titel: Muster - Steffen-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raidy
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darüber, was sie wohl mit mir vorhatte. Ich hatte keinen blassen Schimmer. Der Angstschweiß lief mir kalt den Rücken hinunter. Ich war so müde, dass ich im Stehen einschlief. Wenn ich spürte, dass mein Kopf nach vorne sank, riss ich ihn wieder hoch, um wach zu bleiben. Ganz gleich, wie sehr ich mich bemühte, nicht einzuschlafen, ich konnte meinen Kopf, der wie ein Korken im Wasser auf und nieder ging, nicht unter Kontrolle halten. In diesem tranceartigen Zustand spürte ich, wie sich meine Seele von meinem Körper löste, so als würde ich über mir schweben. Ich fühlte mich so leicht wie eine Feder, bis mein Kopf wieder nach vorne sank und ich wieder hochschreckte. Ich war nicht so dumm, in einen tiefen Schlaf zu fallen. Schlafend erwischt zu werden, konnte tödlich sein. Also starrte ich durch das klapprige Garagenfenster, hörte auf die Geräusche der Autos, die vorbeifuhren, und beobachtete die roten Lichter der Flugzeuge am Himmel, um mich abzulenken. Ich wünschte mir mit jeder Faser meines Herzens, dass ich davonfliegen könnte.
    Stunden später, nachdem Ron und Stan ins Bett gegangen waren, befahl Mutter mir, wieder hochzukommen. Ich fürchtete mich vor jedem Schritt. Ich wusste, dass die Zeit für ihre Abrechnung gekommen war. Sie hatte mich seelisch und körperlich mürbe gemacht. Ich wusste nicht, was sie vorhatte. Ich wünschte mir einfach, dass Mutter mich verprügeln und es endlich vorbei sein würde.
    Als ich die Tür öffnete, war ich auf einmal ganz ruhig. Überall im Haus war es dunkel, bis auf die Küche, in der eine Lampe brannte. Ich sah Mutter am Küchentisch sitzen. Ich stand regungslos da. Sie lächel-45

    te, und ich konnte an ihrer schlaffen, vornübergebeugten Haltung erkennen, dass sie sternhagelvoll war. Merkwürdigerweise wusste ich, dass sie mich nicht schlagen würde. Mir war schwummerig, aber mein Trancezustand verflog, als Mutter aufstand und zur Spüle ging. Sie bückte sich, öffnete den Küchenschrank unter der Spüle und nahm eine Flasche Salmiakgeist heraus. Ich begriff immer noch nicht, was sie vorhatte. Sie nahm einen Esslöffel heraus und füllte ihn mit Salmiakgeist. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. So sehr ich es auch versuchte, ich konnte meine betäubten Gehirnzellen nicht wieder auf Trab bringen.
    Mit dem Löffel in der Hand kam Mutter auf mich zu. Als etwas Salmiakgeist vom Löffel auf den Boden tropfte, wich ich vor Mutter zurück, bis ich mit dem Kopf neben dem Herd an die Arbeitsplatte stieß. Ich lachte beinahe in mich hinein. »Das ist alles? Mehr nicht?
    Alles, was sie tun wird, ist, mich zu zwingen, etwas davon zu schluk-ken?«, dachte ich.
    Ich hatte keine Angst. Ich war zu müde. Alles, was ich denken konnte, war: »Los, bringen wir's hinter uns.« Als Mutter sich zu mir hinunterbückte, wiederholte sie noch einmal, dass mich nur meine Schnelligkeit retten könnte. Ich versuchte zu verstehen, was sie meinte, aber ich war zu benebelt.
    Ohne zu zögern, öffnete ich den Mund, und Mutter rammte mir den kalten Löffel tief in den Rachen. Wieder dachte ich, dass doch alles noch glimpflich abliefe, aber einen Moment später bekam ich keine Luft mehr. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich stand wankend vor Mutter und hatte das Gefühl, mir würden die Augen aus dem Schädel springen. Ich fiel auf den Boden, auf Hände und Knie. »Atme!«, befahl mein Gehirn. Ich schlug mit aller Kraft auf den Küchenboden ein, versuchte, zugleich zu schlucken und mich auf die Luftblase in meiner Speiseröhre zu konzentrieren. Ich geriet sofort in einen Schockzustand.
    Tränen der Panik rannen mir über die Wangen. Nach ein paar Sekunden merkte ich, wie die Kraft meiner Fäuste nachließ. Meine Finger krallten sich krampfhaft in den Boden. Alles verschwamm vor meinen Augen.
    Die Farben schienen ineinander überzugehen. Ich merkte, wie ich wegdriftete. Ich wusste, dass ich sterben würde.
    Ich kam wieder zu Bewusstsein, als Mutter mir auf den Rücken schlug. Durch die Wucht ihrer Schläge musste ich rülpsen und ich konnte wieder frei atmen. Als ich nach Luft rang, um wieder zu Atem 46

    zu kommen, widmete sich Mutter wieder ihrem Drink. Sie nahm einen großen Schluck, starrte auf mich hinunter und hauchte mich mit ihrer Fahne an. »Na, war doch gar nicht so schlimm, oder?«, sagte sie und trank ihr Glas aus, ehe sie mich in mein Straflager in der Garage ent-ließ.
    Am nächsten Abend wiederholten wir die Prozedur, aber diesmal vor Vater. Sie prahlte: »Das wird den

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