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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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zusammen. Aber genau das hat mich hierher gebracht.
    Dadurch hatte ich das Geld, das ich brauchte, um an die Adresse ranzukommen, die mich hierher gebracht hat.«
    Schweigen.
    »Ich hatte die ganze Zeit Angst, daß du mich jetzt haßt«, sagt sie zu ihm.
    »Red keinen Unsinn. Du trägst doch immer noch unser Kind
    unterm Herzen, oder nicht?«
    »Ich fühl mich aber so scheiße, weil ich’s dir nicht schon
    längst erzählt hab.«
    »Wenn du kurz davor bist, dich mit dem Filmemacher zu
    treffen, und immer noch mit mir redest, ist es mir echt egal, wieviel Leuten du Zucker in den Arsch blasen mußtest. Und falls es dabei Tote gegeben hat, bin ich dir gern behilflich, die Leichen zu beseitigen.«
    »Und das ist wirklich nicht bloß so dahingesagt?«
    »Es ist gesagt. Und gesagt ist gesagt. Was willst du denn noch mehr? Soll ich’s mir vielleicht mit ‘nem abgebrochenen Acryl-fingernagel in den Arm ritzen?« Er schweigt wieder. Dann: »Aber was will dein Mr. Bigend eigentlich mit unserem Filmemacher?«
    »Er sagt, er weiß es nicht. Er sagt, die Clips sind das cleverste Beispiel für gutes Marketing, das dieses Jahrhundert bisher erlebt hat. Er sagt, er will mehr darüber wissen. Ich halte es nicht mal für ausgeschlossen, daß das stimmt.«
    »Es hat vermutlich schon merkwürdigere Dinge gegeben. Im
    Augenblick ist das meine geringste Sorge.«
    »Und was hast du für Sorgen?«
    »Wie ich da hinkommen soll. Ob mein Paß, wenn ich ihn
    finde, falls ich ihn denn finde, noch gültig ist. Ob ich irgendwo auf die Schnelle ein Ticket kriegen kann, ohne gleich eine Hypothek aufnehmen zu müssen.«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Was glaubst denn du?«
    Eine blonde, durch und durch kalifornisch aussehende Kin—
    derfrau geht mit einem kleinen, dunkelhaarigen russischen
    Jungen vorbei, der einen roten Luftballon hat. Sie sieht Cayce von der Seite an und scheucht den Kleinen weiter.
    Cayce fällt ein, wie sie mit Sylvie Jeppson auf dem russischen Konsulat war. »Du brauchst ein Visum«, sagt sie zu Parkaboy, »und gegen Aufpreis kannst du sofort eins bekommen, aber das Ticket mußt du dir nicht selbst besorgen. In London bei Blue Ant gibt es eine Frau namens Sylvie Jeppson. Ich ruf sie an und geb ihr deine Telefonnummer. Dann sucht sie dir den kürzesten Flug raus und läßt dir das Ticket bei O’Hare hinterlegen. Noch was, ich weiß, es hört sich total verrückt an, aber ich brauche deinen Namen. Ich weiß nämlich überhaupt nicht, wie du heißt.«
    »Thornton Vaseltarp.«
    »Wie bitte?«
    »Gilbert.«
    »Gilbert?«
    »Peter Gilbert. Parkaboy. Du wirst dich schon dran gewöhnen. Und was ist der Haken bei diesem Flug nach Moskau?«
    »Es gibt keinen. Ich kriege meine Aufwendungen bezahlt. Du
    bist grade eine geworden. Ich brauch dich hier. Ganz einfach.«
    »Danke.«
    »Aber sie darf nicht mitkriegen, daß ich bereits hier bin. Sie denkt nämlich, ich komme erst in einer Woche an.«
    »Warst du schon immer so kompliziert?«
    »Nein, aber ich lerne. Parkaboy – Peter – ich rufe Sylvie sofort an.«
    Schweigen. »Danke. Du weißt, ich muß kommen.«
    »Ich weiß. Ich ruf dich später noch mal an. Wiederhören.«
    Sie geht weiter, das Handy noch in der Hand, bis sie eine Art dicken, oben abgerundeten Poller aus Granit sieht, der umgestürzt auf dem Pflaster liegt. Sie hat keine Ahnung, was das früher mal war, aber sie setzt sich auf die Kante, fühlt durch ihren Rock hindurch die Wärme des Steins und ruft bei Blue Ant in Soho an. Das Moskauer Funknetz zischt besonders laut, aber sie kommt durch, wenn auch bloß zu Sylvies Voice Mail.
    »Cayce Pollard, Sylvie, ich hab da jemanden in Chicago, der
    nach Rußland geschickt werden muß, auf dem schnellsten
    Wege. Peter Gilbert.« Merkwürdiges Gefühl, seinen Namen
    auszusprechen. Sie sagt Parkaboys Nummer durch, zweimal.
    »Buchen Sie ihm ein Zimmer im Hotel Präsident. Und sorgen
    Sie dafür, daß er schnellstens dort ist, bitte. Es ist wichtig.
    Danke. Wiederhören.«
    Ein nicht als solcher gekennzeichneter Polizeiwagen braust
    vorbei, ein sehr neuer Mercedes mit blitzendem Blaulicht neben der Windschutzscheibe. Sie sieht, wie er mit quietschenden Reifen um eine enge mittelalterliche Ecke biegt.
    Sie steckt das Handy weg, steht auf, setzt sich wieder in Bewegung.
    Viel weiter ist sie noch nicht gekommen, als plötzlich,
    scheinbar vom Fluß her, eine große Welle von Erschöpfung auf sie zurollt, aus tiefsten organischen Tiefen verkündet ihr die CPNZ, daß es an der Zeit ist,

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