Mustererkennung
atmet den Duft
ein, nippt. Sie sagt etwas Lobendes, auf russisch. »Moskau
gefällt Ihnen? Sie schon hier gewesen?«
»Nein«, sagt Cayce. »Ist was Neues für mich.«
»Ich glaube, für uns ist auch neu. Jeden Tag, jetzt.« Ohne zu lächeln, mit großen Augen.
»Wieso gibt es hier so viele Polizeiautos?« Das ist die einzige Frage, die Cayce einfällt, als kläglicher Versuch, einem Schweigen vorzubeugen, von dem sie fürchtet, daß es sie umbringen könnte. Gleich die nächste Frage stellen. »Die rasen immer so vorbei, aber ohne Sirenen.«
»Polizeiautos?«
»Nicht als solche gekennzeichnet. Aber mit Blaulicht.«
»Das nicht Polizei! Das sind Autos von wichtige Leute, von
reiche Leute oder ihre Mitarbeiter. Sie haben gekauft Erlaubnis, daß sie nicht brauchen Verkehrsregeln beachten. Blaulicht ist Höflichkeit gegen andere Leute, eine Warnung. Sie finden das merkwürdig, ja?«
Alles hier, denkt Cayce. Alles oder nichts.
»Stella? Darf ich Sie etwas fragen?«
»Ja?«
»Sind Sie die Filmemacherin?«
Stella neigt den Kopf zur Seite. »Ich bin Zwillinge.« Cayce
wäre nicht überrascht, wenn die andere ihr jetzt tatsächlich vorführen würde, daß sie die Fähigkeit besitzt, physisch gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten zu sein. »Meine Schwester, sie ist Künstlerin. Ich, was bin ich? Verteilerin. Die eine Publikum sucht. Das keine so große Talent, ich weiß.«
»Mein Gott«, sagt Cayce, obwohl sie gar nicht daran glaubt,
daß es einen gibt, »ist das wirklich wahr?«
Stellas ohnehin schon große Augen werden noch größer. »Ja.
Das ist wahr. Nora ist Künstlerin.«
Cayce merkt, daß sie schon wieder anfängt, sich innerlich zu verkriechen. Nächste Frage. Irgendwas. »Sind Stella und Nora russische Namen?«
»Unsere Mutter hat sehr bewundert Ihre Literatur. Besonders
von Williams und von Joyce.«
»Williams?«
»Tennessee.«
Stella. Und Nora.
»Mein Vater hat in Tennessee gelebt«, sagt Cayce und hat das Gefühl, daß sie sich wie eine Sprechpuppe anhört, bei der jemand an der Schnur gezogen hat.
»Sie schreiben, er gestorben, bei Einsturz von Türme.«
»Vermißt, ja.«
»Unsere Eltern gestorben. Eine Bombe. In Leningrad. Meine
Schwester und ich mit meine Mutter wohnen in Paris. Nora
studieren Film, ich Wirtschaft. Mein Vater nicht wollen, daß wir bleiben in Rußland. Die Gefahren. Er arbeiten für seine Bruder, meine Onkel, der ist mächtige Mann geworden. Er uns erzählen in Paris, wir sollen vorbereiten, daß wir nicht wieder zurückkommen. Aber dann unsere Großmutter gestorben, seine Mutter, und wir kommen zurück, für Beerdigung. Nur drei Tage, war geplant.« Ihre großen dunklen Augen starren
Cayce düster an. »Bombe ist in eine Baum, als wir verlassen
unser Haus, alle in Schwarz für Beerdigung. Die lassen Bombe explodieren mit eine Radio. Unsere Eltern, alle beide sofort tot, war Gnade. Nora schwer verletzt. Sehr schwer. Ich nur ausge-kugelte Schulter und ausgerenkte Kiefer und viele kleine Wunden.«
»Das tut mir leid …«
»Ja.« Stella nickt bejahend, wobei sich Cayce nicht sicher ist, was sie eigentlich bejaht. »Seitdem wir leben in Moskau. Mein Onkel ist oft hier, und Nora braucht viele Sachen. Wer sind Ihre Freunde?«
»Wie bitte?«
»Sie schreiben, Sie und Ihre Freunde suchen nach Kunst von
Nora. Leidenschaftlich.« Das Lächeln, das aus Stellas bleicher Verhaltenheit hervorbricht, ist ein Wunder. Oder nicht einfach Verhaltenheit, denkt Cayce, sondern irgendeine hyperwachsa-me Reglosigkeit. Wenn wir uns nicht bewegen, sehen sie uns nicht. »Wer ist ›Maurice‹? So schöner Name.«
»Er arbeitet bei einer Bank, in Hongkong. Britisch. Ich kenne ihn nicht persönlich, aber ich mag ihn sehr. Sie haben verstanden, daß wir das mit Hilfe einer Website machen, per E-Mail?«
»Ja. Ich habe gesehen, vielleicht. Ich habe Software. Ich sehe Bewegung von Noras Kunst, durch Zahlen von Sigil. Ist sehr gutes Software. Sergej hat gefunden für uns.«
»Wer ist Sergej?«
»Er ist angestellt, um uns unterstützen. Ein Star in Polytechnikum. Ich habe Angst, er verpaßt seine Karriere, weil mein Onkel ihn bezahlt zu gut. Aber er liebt auch, was Nora macht.
Wie Sie.«
»Sind diese Clips … Ist Noras Kunst computergeneriert, Stella? Oder machen da richtige Schauspieler mit?« Besorgt, daß sie zu direkt ist, zu plump.
»An Filmschule, in Paris, sie hat gemacht drei Kurzfilme. Der längste sechzehn Minuten. Dieser wurde gezeigt in Cannes mit gute Kritiken. Sie
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