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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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mitgegeben haben. Das Ergebnis, fürchtet sie, ist so, daß die Mädels aus dem Schönheitssalon sich Mühe geben würden, nicht zu lachen, aber wenigstens sieht man, daß sie geschminkt ist. Vermutlich kann man sie für eine Korrespon—dentin von irgendeinem obskuren NPR-Kulturfunk-Klon
    halten, befindet sie. Mit Sicherheit nicht vom Fernsehen.
    Sie vergewissert sich, daß sie ihre Magnetschlüsselkarte fürs Zimmer eingesteckt hat, dann schlüpft sie in die Rickson, schultert ihre Luggage-Label-Tasche, in der iBook und Handy verstaut sind, und sucht den Weg zurück in die Minilobby, wo die Aufzüge sind. Dort sitzt eine uniformierte Frau, und zwar, wie Cayce annimmt, rund um die Uhr, hinter einem riesigen Gesteck aus Blumen und getrocknetem Laub. Cayce nickt ihr zu, aber sie nickt nicht zurück.
    Zwischen den beiden Aufzügen ist ein großes Fenster, das
    von der Decke bis zum Fußboden mit einem Vorhang aus
    noppigem ockerfarbenem Stoff drapiert ist. Daneben befindet
    sich ein aufrecht stehender Glaskühler mit Champagner, Mineralwasser, ein paar augenscheinlich ungewöhnlich gut gekühlten Flaschen Burgunder und jeder Menge Pepsi. Während sie auf den Aufzug wartet, lüpft Cayce den ockergelben Noppen—stoff ein wenig und sieht ein altes Wohnhaus, weiße Kirchtürme und einen wundersamerweise mit Schießscharten versehenen, in Orange und Türkis gehaltenen Glockenturm. Weiter hinten goldene Zwiebeltürme.
    Das, beschließt sie, ist die Richtung, die sie jetzt gleich einschlagen muß.
    Kein Mensch im riesigen Hauptfoyer, nicht mal ein Mädchen
    in grünen Stiefeln. Sie passiert die Sicherheitsschleuse mit den breiten, kevlarbejackten Burschen und will hinten um das Hotel herumgehen, um zu diesen Zwiebeltürmen zu gelangen.
    Und schon hat sie sich verlaufen. Aber das macht nichts, weil sie ja bloß läuft, um die übergroße Nervenanspannung loszuwerden. Und an irgendeinem Punkt fällt ihr wieder ein, daß sie ja Parkaboy anrufen wollte.
    Doch warum läßt sie sich soviel Zeit damit? Weil ihr, muß
    sie sich eingestehen, klar ist, daß sie ihm dann auch von Bigend und Boone erzählen muß und das andere alles, und sie hat Angst davor, was er dann sagt. Tut sie es aber nicht, dann ist das eigentlich der Anfang vom Ende ihrer Freundschaft, und die bedeutet ihr sehr viel.
    Sie bleibt stehen, guckt versonnen an den Fassaden dieses
    alten Wohnviertels entlang und spürt glasklar, wie ihr Bewußtsein mal wieder das alte Aber-eigentlich-ist-es-ja-hier-genauso-wie-in-Ding macht, wie immer, wenn es mit einem ernsthaft neuen kulturellen Phänomen konfrontiert ist: aber eigentlich ist es ja hier genauso wie in Wien, bloß daß das überhaupt nicht stimmt, und eigentlich ist es ja hier genauso wie in Stockholm, was es selbstredend ganz und gar nicht ist …
    Sie geht weiter, kommt sich vor wie ein Kind, das mit flauem Gefühl die Schule schwänzt, und hin und wieder guckt sie nach oben, ob sie die goldenen Zwiebeln sieht, da klingelt auf einmal ihr Handy.
    »Ja?« sagt sie mit schlechtem Gewissen.
    »Alles. Jetzt.«
    »Ich wollte dich gerade anrufen.«
    »Hast du dich schon mit ihm getroffen?«
    »Nein.«
    »Aber du wirst?«
    »Ja.«
    »Wann?«
    »Heute nachmittag um fünf in einem Restaurant oder Café,
    ich weiß nicht genau.«
    »Doch kein Starbucks?«
    »Nein. Ich weiß gar nicht, ob die hier überhaupt Starbucks
    haben.«
    »Kriegen sie schon noch.«
    »Parkaboy?« Merkwürdiges Gefühl, seinen Namen auszusprechen. Seinen Spitznamen, genaugenommen. Und noch merkwürdiger ist das Gefühl, als ihr plötzlich einfällt, daß sie keine Ahnung hat, wie er richtig heißt.
    »Ja?«
    »Ich muß dir was sagen.«
    Kurze Pause an seinem Ende. »Du trägst unser Kind unterm
    Herzen?«
    »Die Sache ist ernst –«
    »Das will ich meinen. Das ist wahrscheinlich das erste Inter-netbaby.«
    »Nein. Ich arbeite für jemanden.«
    »Ich dachte, du arbeitest für diese letal pomomäßige Werbeagentur.«
    »Ich arbeite für jemanden, dessen Interesse es ist, den Filmemacher zu finden. Jemanden, der mich finanziert. Sonst hätte ich es mir gar nicht leisten können, nach Tokio zu fliegen und mich mit Taki zu treffen.«
    »Aha? Wer?«
    »Weißt du, wer Hubertus Bigend ist?«
    »Geschrieben ›big‹ und ›end‹?«
    »Ja.«
    »Der Gründer und Besitzer besagter Agentur?«
    »Ja.«
    »Die hohe Kunst des Schwafelns im Promiinterview auf eine
    neue Ebene gehoben?«
    »Genau der, und für den arbeite ich. Oder, wie er es nennt,
    mit ihm

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