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Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Titel: Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Malchow
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Langnasen. Und die Einzigen, die leger in wanderfähiger Bekleidung zum Frühstück erschienen sind.
    Cool. Und skurril.
    Wie jeden Morgen verwandelt Levi den gesamten Boden um seinen Babystuhl herum binnen weniger Augenblicke in ein Schlachtfeld. Und sein Gesicht und seine Bekleidung auch. Aber es ist auch wirklich schwierig, Obstsalat mit Chopsticks aufzuspießen. Wenn es trotzdem gelingt, hält er mir stolz seine Obstangel unter die Nase. Und spätestens dann fällt die Beute auf den Boden. Meistens.
    Und wir beide lachen.
    Und mit uns die Frauen an den uns einkreisenden Tischen. Immer mal wieder steht eine der Damen auf, kneift Levi in die Wange und sagt irgendetwas auf Chinesisch. Ich sage breit lachend abwechselnd »Levi« und zeige »Elf Monate« mit meinen Händen, in der Hoffnung, dass nach seinem Namen oder seinem Alter gefragt wird. Und irgendwann merke ich, dass an den meisten Tischen auch chinesische Kinder in Babystühlen sitzen. Ordentlich gekleidet. Mit sauberen Gesichtern. Und relativ unbeweglich. Die meisten von ihnen sind unglaublich dick. Und selbst die Kinder, die wesentlich größer als Levi sind, werden von ihren Müttern wie Säuglinge herumgetragen. Der Versuch des Jungen am Nebentisch, mit den Händen nach einem Stück Obst zu greifen, wird mit zischenden Lauten kommentiert, woraufhin das Corpus Delicti mit verschrecktem Gesicht wieder auf dem Teller platziert wird. Ansätze, mit den Chopsticks einen Beat zu trommeln, werden mit dem Entreißen der Sticks geahndet. Und so verfallen die kleinen Musiker schnell wieder in eine Art Babystarre. Kleinkinderziehung scheint eine ernste Angelegenheit zu sein in China. Die Spannung steigt: Was erwartet uns wohl in dem chinesischen Kindergarten? Und wie kommt Levi damit zurecht?
    In Gedanken versunken, lächle ich dem netten Kellner zu, der jetzt schon zum dritten Mal den Boden um uns herum fegt.
    Freundlich winkend verabschieden wir uns von unseren Nachbartischen und wandern durch kühle Sonne und frische Bergluft Richtung Highlight des heutigen Tages. Ein drei Meter hoher Betonklotz mit der Aufschrift Commune of the Children heißt uns willkommen.
    Levi krabbelt mehrmals um den Betonklotz herum, zieht sich daran hoch und wirft sich für meine Kamera in Pose. Danach nähert er sich der Grenze aus Stein- und Grasfläche und wiederholt ein mir mittlerweile nur allzu bekanntes Ritual: Vorsichtig hebt er seine Hand, lässt sie fast bis auf die Grasspitzen herabsinken und sucht meinen Blick. Ich nicke ermutigend, und er zieht die Hand weg. Das wiederholt er 48 318-mal, bis er sich ein Herz fasst, die Grasspitzen streichelt und dann loskrabbelt. Über die gesamte Wiese. Laut juchzend.
    Den Charakterzug kenne ich mittlerweile. Beim ersten Mal beäugt er alles Neue erst einmal kritisch-neugierig und lehnt es schließlich ab. Um sich kurz darauf wieder anzunähern und zuzugreifen. Erst vorsichtig. Und dann stürmisch. So ist er bei allem: beim Essen, beim Spielen, bei Menschen. Durch unsere transsibirische Reise habe ich zahlreiche seiner Charaktereigenschaften und Eigenarten intensiv kennengelernt. Oft war ich erstaunt, wie viel ein kleiner Mensch schon auf die Welt mitbringt. Aus sich heraus. Jetzt sitzt er beispielsweise auf dem Rasen, lässt sich die Sonne in sein Gesicht scheinen und macht erkennbar nichts, außer nachzudenken oder nachzufühlen. Und ich frage mich zum wiederholten Male, was in diesem kleinen Kerl vorgeht. Denn er macht das öfter: einfach nur dasitzen. In Gedanken versunken. Dann ist er mir auf eine Art fremd. Oder anders: Mir ist dann klar, dass Levi ein Eigenleben hat, zu dem ich keinen Zugang habe. Das mich nichts angeht. Obwohl er erst elf Monate alt ist. Ob dieser Bereich wohl eher zu- oder abnimmt mit Levis fortschreitendem Alter?
    Natürlich habe ich derartige Momente auch in München mit Levi erlebt. Aber in der Intensität unseres gemeinsamen Reisens werden mir die abgrenzenden Erlebnisse, die er offensichtlich genauso braucht wie ich, sehr bewusst.
    Bevor es zu sentimental wird, stürmen wir das Innere der Kinderkommune. Im Erdgeschoss finden wir die Miniaturausgabe einer perfekt ausgestatteten Profiküche, aus der es nach frisch gebackenen Keksen duftet. Und die üblichen Wasch-, Toiletten- und Schlafräume in Zwergengröße. Selbst gemalte Kinderbilder hängen an den Wänden, Musikinstrumente liegen in Kisten unter Sitzbänken mit bunten Kissen. Zahlreiche kleine Malstaffeleien und Tische mit angespitzten Buntstiften und

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