Mutiert
Noch bevor er den Tresen erreicht hatte, wandte sich der Mausgesichtige um. Sein Blick traf Zagallo und blieb an ihm haften – nur ganz kurz, dann sprintete der Mann davon und tauchte in der Menge unter. Zagallo blieb gelassen, denn er hatte damit gerechnet, dass dieser Craigo wohl kein großes Interesse daran hatte, mit der Polizei zu sprechen. Zagallo wechselte die Richtung und ging langsam zur Hintertür. Als er dort eintraf, stand Craigo bereits an der Wand und hielt sich seine blutende Nase.
» Er wollte uns einfach keine Gesellschaft leisten«, murmelte Falcáo, als er den Mann am Hemdkragen packte und durch die Hintertür ins Freie schob. Draußen hatte es zu regnen begonnen.
Zagallo musterte den Gefangenen von oben bis unten.
» Du kannst uns etwas über die Morde in den Blumenfeldern erzählen«, sagte er, während ihm Falcáo Handschellen anlegte.
» Ich … ich weiß nichts«, stammelte Craigo hastig.
» Das werden wir sehen.«
Hauptquartier der WHO in Genf
Sieben neue Fälle von hämorrhagischem Fieber waren in Memphis diagnostiziert worden. Es handelte sich dabei durchgehend um Personen aus dem Umfeld des verstorbenen Kindes und seiner Mutter. Die Ärzte hegten keinen Zweifel daran, dass sich das Virus ausgebreitet hatte. Auch im belgischen Gent war es im Krankenhaus, in das der junge Student nach seinem Zusammenbruch eingeliefert worden war, zu weiteren Infektionen beim medizinischen Personal gekommen. Und auch in Brasilien gab es eine ganze Reihe neuer Fälle.
Im Zentrum für ansteckende Infektionskrankheiten war ein Krisenstab damit beschäftigt, alle Meldungen sonderbarer und nicht zu bestimmender Fieberkrankheiten zu überprüfen. Und noch immer war nicht bekannt, um welchen Erreger es sich definitiv handelte. In der Presse wurden abenteuerliche Berichte veröffentlicht, die von einer tödlichen Seuche berichteten, für die es keine Heilungschancen gab. Dies führte in manchen Teilen der Erde bereits zu panischen Reaktionen der Bevölkerung. Manche Menschen verbarrikadierten sich in ihren Häusern und nahmen noch nicht einmal die Post entgegen. In einem Vorort von Memphis war ein Mann nach einem Sturz verblutet, weil niemand ihm zu Hilfe kam – aus Angst, man könne sich an dem Blut des Gestürzten infizieren.
» Hast du das gelesen?«, fragte der Operator seinen Kollegen, mit dem er in der Einsatzzentrale der WHO vor dem Computer saß und das Internet nach Meldungen über weitere verdächtige Krankheitsfälle absuchte.
» Was meinst du?«
» In einem kleinen Ort namens Nutbush in Tennessee ist eine schwangere Frau verblutet. Sie wollte mit dem Taxi in eine Klinik fahren, weil sie Schmerzen im Bauchbereich hatte. Während der Fahrt begann sie zu bluten. Da hat der Taxifahrer mitten im Nirgendwo einfach angehalten und sie ausgesetzt, weil er Angst hatte, die Frau habe das Fieber. Als ein anderer Autofahrer die Frau fand, war sie bereits nicht mehr zu retten.«
» Gib die Meldung an den Einsatzstab weiter«, sagte der Kollege und schüttelte verständnislos den Kopf.
29
Corrupira am Rio Jatapu, Amazonasgebiet
Lila hatte sich tief hinter die Wurzel eines Mangrovenbaumes geduckt. Noch immer hallten Schüsse durch den Urwald. Tenente Farraz brüllte seinen Soldaten Befehle zu, die Deckung gesucht hatten und mit ihren automatischen Waffen in die Richtung zielten, aus der die Schüsse kamen. Unter das laute Donnern des Schrotgewehrs und dem trockenen Plop der Pistolen mischten sich hektische Feuerstöße. Lila zitterte am ganzen Körper. Neben ihr lag der Cabo und hielt seine Pistole in der Hand. Ein paar Meter neben ihr hatte Luisa Behringer hinter dem gewaltigen Wurzelwerk der Mangrovenbäume Deckung gesucht.
Der Tenente hastete zu ihnen herüber und ließ sich auf den Boden fallen.
» Bleiben Sie mit einer Gruppe hier«, sagte er atemlos. » Ich werde mit der zweiten Gruppe nachsehen, was passiert ist. Rosburn muss mit seinen Männern auf ein paar versprengte Bewohner gestoßen sein.«
Der Cabo quittierte den Befehl. » Haben Sie Kontakt zu Rosburn?«
Tenente Farraz schüttelte den Kopf.
Wieder brandeten Schüsse auf. Diesmal näher noch als zuvor. Sie kamen aus Richtung des Flusses. Salven aus Maschinenpistolen folgten, dann eine laute Explosion.
Tenente Farraz richtete sich auf. » Schnell zum Fluss!«, wies er seine Soldaten an und zeigte in östliche Richtung. » Sie haben Granaten. Wir müssen die Boote sichern!« Erneut detonierte eine Handgranate in einiger Entfernung, ein
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