Mutiert
ausreichend Deckung. Wir bleiben hier und warten den nächsten Morgen ab. Dann schlagen wir uns nach Brás durch.«
» Aber Doktor Hagen …«, versuchte Lila einen letzten Protest.
» Ich weiß«, gab der Cabo zurück. » Aber wir haben keine andere Wahl. Der Dschungel ist dicht und undurchlässig, zwanzig Kilometer durch dieses Gelände sind eine Tortur.«
» Und wenn wir am Fluss entlanggehen?«, fragte Antonio Pinto.
» Diese Banditen warten nur darauf, dass wir ihnen in die Arme laufen«, antwortete der Cabo. » Sie haben schon fünf unserer Männer getötet und sind gut bewaffnet, außerdem besitzen sie jetzt noch unser Patrouillenboot mit einem General-Dynamics-Maschinengewehr. Wir haben nur eine Chance, wenn wir uns direkt nach Norden wenden.«
» Und was wird mit ihm?«, fragte der Sargento und deutete auf den Gefangenen, der mit gefesselten Händen an einem Mangrovenbaum lehnte und die Umstehenden mit funkelnden Augen musterte.
» Um ihn kümmern wir uns später«, erwiderte der Cabo. » Zuerst müssen wir unsere Ausrüstung bergen, und wir müssen auf der Hut sein.«
» Glaubst du, die Kerle kommen wieder?«, fragte Lila.
Der Cabo zögerte einen Moment: » Es muss einen guten Grund haben, dass sie sich noch immer hier herumtreiben.«
Acampamento dos infectados nahe Urucará, Amazonasgebiet
Schwester Violante saß aufrecht in ihrem Bett und löffelte die Tasse Suppe aus, die ihr eine Krankenschwester gebracht hatte. Seit dem gestrigen Tage ging es ihr wesentlich besser. Sie hatte kein Fieber mehr, und die violettblaue Färbung ihrer Haut war einer rosigen Farbe gewichen.
» Wie fühlen Sie sich heute?«, fragte Professor Sander, der neben ihrem Bett stand und verschiedene Kanülen zur Blutabnahme vorbereitete. Er trug lediglich einen Mundschutz, Handschuhe und einen Schutzkittel. Den Vollschutzanzug hatte er nicht angelegt.
Schwester Violante lächelte und stellte die Suppentasse auf den Tisch neben dem Bett.
» Ein klein wenig schwach vielleicht noch, aber alles in allem geht es mir von Tag zu Tag besser.«
» Das freut mich, schließlich sind Sie unsere wichtigste Person in diesem Camp. Ihr Blutserum gibt uns zumindest eine kleine Chance, das Virus zu bekämpfen. Wir haben cytotoxische T-Zellen in Ihrem Serum nachgewiesen. Ihr körpereigenes Immunsystem hat das Virus erkannt und darauf reagiert. Der erste Schritt zu einem Hyperimmunserum ist getan. Die Blutproben sind bereits auf dem Weg nach Atlanta, wo wir hoffen, ein wirksames Hyperimmunserum im ausreichenden Maß produzieren zu können.«
» Wie lange wird das dauern, Doktor?«
» Die Labors arbeiten mit Hochdruck daran«, entgegnete Professor Sander. » Natürlich ist es ein schwieriger und zeitraubender Prozess, aber es ist eine erste Chance. Ich denke, in vier bis sechs Wochen haben wir genug Hyperimmunserum.«
» Vier bis sechs Wochen, Professor?«, entgegnete Schwester Violante ungläubig. » Hier liegen Menschen im Sterben, die dringend schnelle Hilfe brauchen. In vier Wochen wird niemand mehr am Leben sein, dem Sie das Serum verabreichen können.«
Professor Sander blickte betreten zu Boden. Er wusste, dass Schwester Violante Recht hatte. Doch er wusste auch, dass es nur diese Alternative gab. Bislang hatten alle Mittel gegen bekannte Viren versagt. Was konnte er also anderes tun, als zu hoffen, dass nun endlich das Hyperimmunserum half. Selbst wenn es ihm und seiner Crew gelingen sollte, das neue Virus zu identifizieren, so war noch lange nicht gesagt, dass es ein wirksames Mittel gegen die Infektion gab. Gegen Viren wie Ebola oder Marburg aus der Familie der Filoviren gab es noch immer keine wirksamen Medikamente.
» Wissen Sie noch, wie es zur Ansteckung gekommen sein könnte?«, lenkte Professor Sander vom Thema ab.
Schwester Violante schüttelte den Kopf. » Ich habe stets Handschuhe und Schutzkleidung getragen, wenn ich mich um Kranke kümmerte. Ich habe keine Ahnung. Doktor Faro meinte, dass das Virus durch die Luft übertragen wurde.«
Professor Sander runzelte die Stirn. » Das ist nicht möglich. Eine solche Mutation wurde bislang noch nicht beobachtet. Ich glaube auch nicht daran, dass das Virus über Aerosole übertragen wird. Unsere Versuche im Labor waren eindeutig. Wir haben über einhundert Tests durchgeführt, es gab keine Übertragung.«
» Entschuldigen Sie, Herr Professor, aber ich kann nur wiederholen, dass ich mir nicht erklären kann, auf welche Weise ich mich infiziert habe. Ich war stets darauf
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