Mutiert
Standardausrüstung des brasilianischen Militärs, klang scharf wie ein Peitschenhieb. Das Geschoss durchschlug das Holz des wurmstichigen kleinen Fensterladens und ein gellender Schrei ertönte. Schließlich flog die Tür auf und ein untersetzter, glatzköpfiger Mann wankte nach draußen. Das Schrotgewehr umklammerte er wie einen Rettungsring.
» Waffe weg!«, schrie der Cabo.
Der Glatzköpfige versuchte das Schrotgewehr anzuheben, doch ihm fehlte die Kraft. Schließlich sank er auf die Knie. Kurz verdrehte er seine Augen, dann stürzte er in den Staub und begrub die Flinte unter sich.
Der Cabo wartete einen Moment, bevor er sich aus der Deckung wagte. Mit angelegtem Gewehr ging er auf den am Boden Liegenden zu und drehte ihn mit dem Fuß auf den Rücken. Leblose Augen blickten ihm entgegen. Der Cabo atmete auf, zielte aber weiter in Richtung der Tür, denn noch immer konnten Komplizen des Toten auftauchen. Langsam näherte er sich dem Kommandanten, der auf dem Rücken lag. Auch er war tot, das Schrot hatte seinen Brustkorb regelrecht zerfetzt, das Hemd war blutdurchtränkt.
» Ich sagte doch, alle haben sie Angst vor dem Teufel.«
Der Cabo fuhr herum und riss das Gewehr in die Höhe. Der blinde, alte Mann stand vor ihm.
» Maldita!«, fluchte der Cabo. » Alter Mann, was tust du hier, beinahe hätte ich dich erschossen.«
Die Miene des alten Mannes blieb unbeeindruckt. » Ihr müsst verschwinden, sonst holt euch der Teufel ebenfalls zu sich in die Hölle.«
Hospital Santa Catarina, São Sebastião, Amazonasgebiet
Lila hatte sich in das kleine Labor des Hospitals zurückgezogen. Es wurde eigentlich von Doktor Alonso betreut, der eine Ausbildung zum Laborarzt durchlaufen, sich hier aber schon lange nicht mehr aufgehalten hatte. Schwester Violante, die vor ihrer Versetzung nach Santa Catarina bereits in Manaus Erfahrungen im Labor hatte sammeln können, war in letzter Zeit für die Laborarbeiten in der Krankenstation zuständig gewesen. Doch Lila wollte ihr nicht zumuten, das Blut des verstorbenen Kautschukpflückers zu untersuchen. Sie hatte den Verdacht, dass eine schwere bakterielle oder virale Erkrankung vorliegen musste, die das hämorrhagische Fieber auslöste und sehr ansteckend zu sein schien.
Das Labor war zwar nur einfach und mit einer ziemlich alten Zentrifuge ausgestattet, aber das Lichtmikroskop war kaum älter als ein Jahr und von sehr guter Qualität.
Lila machte sich an die Arbeit, um ein Blutbild zu erstellen und gleichzeitig einen Blutausstrich für das Mikroskop vorzubereiten.
Draußen wurde es bereits dunkel und sie schaltete das Licht ein, das von Zeit zu Zeit flackerte, da die Stromversorgung nach dem großen Sturm der vergangenen Woche noch nicht wieder einwandfrei funktionierte und die Arbeiten daran wohl noch etwas andauerten. Als sie durch das Mikroskop den Blutausstrich betrachtete, kniff sie ihre Augen zusammen und wischte sich mit der Hand darüber. Der erneute Blick durch das Mikroskop zeigte ihr, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Die Anzahl der Thrombozyten hatte sich in einer Weise verringert, die auf eine schwere Infektionskrankheit hindeutete. Doch welchen Ursprung hatte diese Infektion? Sie ging zum Kühlschrank und griff nach einem CRP -Schnelltest. Kaum zehn Minuten später hatte sie das Ergebnis. Alles sprach dafür, dass die Erkrankung durch einen Virus ausgelöst wurde, denn der ermittelte Wert lag weit über 100 .
Gegen Mitternacht fiel der Strom ganz aus, und die beiden Notstromaggregate setzten laut dröhnend ein. So hörte Lila gar nicht, dass Schwester Violante das Labor betrat.
» Entschuldigen Sie, ich sah, dass noch Licht brannte«, sagte Schwester Violante und hob entschuldigend die Hände.
» Kommen Sie, nehmen Sie einen Mundschutz und streifen Sie sich Handschuhe über, ich will Ihnen etwas zeigen«, antwortete Lila und wies auf das Mikroskop. Nachdem Schwester Violante die Schutzausrüstung angelegt hatte, machte ihr Lila auf ihrem Stuhl vor dem Mikroskop Platz. Schwester Violante setzte sich und warf einen langen Blick durch das Mikroskop. Schließlich richtete sie sich wieder auf und schaute Lila fragend an.
» Sie haben es auch gesehen«, sagte Lila. » Das ist das Blut des Kautschukpflückers, das ich von ihm genommen habe, kurz nachdem er gestorben ist.«
» Seine Thrombozyten …«
» Ich will, dass alle Schwestern und Pfleger ausreichende Schutzkleidung tragen, wenn sie Patienten behandeln. Wir müssen von einer schweren Virusinfektion
Weitere Kostenlose Bücher