Mutiert
zum Dienst erschienen. Pater Innocento blieb im Krankenhaus; er half, wo er konnte, spendete Trost und gab den Todgeweihten das letzte Geleit. Das Gebiet um die Stadt und entlang des Rio Jatapu hatte sich zu einer Zone des Todes entwickelt.
Kein Tag verging, ohne dass nicht weitere Boote in São Sebastião anlandeten und neue Infizierte in die Klinik in der Nähe des Hafens gebracht wurden. Pater Innocento hatte deshalb mit einem benachbarten Unternehmer Kontakt aufgenommen, der direkt neben dem Krankenhaus ein großes Lagergebäude für Getreide errichtet hatte, das bislang noch ungenutzt war. Doch der, ein sehr gläubiger Mensch, war nicht so leicht zu überzeugen, der Klinik seine Lagerhalle als Ausweichstätte für schwersterkrankte Patienten zu überlassen.
Lila hatte ihren Schutzkittel und die Handschuhe abgelegt, als sie sich ihrer kleinen Wohnung hinter der Klinik näherte. Pater Innocento saß auf den Stufen der Veranda und warf ihr einen mitleidigen Blick zu. Seit über vierundzwanzig Stunden hatte Lila kein Auge mehr zugetan. Sie war der Erschöpfung nahe und sehnte sich nach ein paar Stunden Schlaf. Ihre dunklen, gelockten Haare hingen wirr in die Stirn. Und sie war schweißgebadet, denn die schwüle Mittagshitze hielt Fluss und Land mit eisernem Griff umklammert.
» Du musst dich ausruhen«, empfing sie der Pater mit sanfter Stimme.
» Wie soll ich schlafen, wenn die Menschen dort drüben sterben«, antwortete sie matt und ließ sich neben dem Pater auf den Treppenstufen nieder.
» Du wirst ihnen nicht helfen können, wenn du dich selbst an den Rand des Zusammenbruchs bringst. Der Cabo übernimmt die nächste Schicht, ich habe mit ihm gesprochen.«
Lila lächelte. » Er ist ein Geschenk des Himmels, wenn ich auch angesichts des Elends, das hier herrscht, kaum noch glauben kann, dass es einen Himmel gibt.«
Pater Innocento nahm sie freundschaftlich in den Arm. » Gott ist uns Menschen immer nah, selbst in den dunkelsten Stunden steht er zu uns. Doch die Menschen verzagen, wenn sie dem Tod von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen.«
» Lange halten wir es nicht mehr durch«, erwiderte Lila. » Wenn nicht bald etwas geschieht, dann wird es diese Stadt nicht mehr lange geben.«
Ein lautes Brummen überlagerte die Antwort des Paters. Erschrocken richtete sich Lila auf und schaute in den Himmel. Über den Fluss schwebten drei große Hubschrauber auf die Stadt zu. Auch der Pater hatte sich erhoben. Gemeinsam standen die beiden neben dem Haus und folgten den Helikoptern mit ihren Blicken.
» Siehst du, Gott ist bei uns, er hat dich gehört«, rief er Lila ins Ohr, als die Helikopter in der Nähe des Krankenhauses mit lautem Getöse auf einer Wiese niedergingen.
» Mein Gott«, seufzte Lila, nachdem die Rotorblätter der Super-Puma Helikopter der Força Aéra Brasileira zur Ruhe gekommen waren. » Ich habe schon fast nicht mehr daran geglaubt.«
Cuiabá, Bundesstaat Mato Grosso
Dieses Mal hatten sie sich den Süden der Stadt vorgenommen. Noch vor Sonnenaufgang hatten Einheiten der Bundespolizei zusammen mit der Kriminalpolizei eine Siedlung in der Nähe des Kraftwerks an der Rod dos Imigrantes umstellt. Über den mit Unrat angefüllten Straßen und Gassen hing ein entsetzlicher Gestank, und in dem Gewirr aus Holz- und Wellblechhütten konnte man leicht die Orientierung verlieren. Dennoch gingen die Polizisten systematisch vor. Haus um Haus, Hütte um Hütte wurden umstellt und anschließend durchsucht. Nach sieben Stunden zogen die Polizisten ergebnislos ab.
Zagallo ließ sich resigniert auf dem Stuhl in seinem Büro nieder. » Geld, Waffen, Rauschgift, sieben Festnahmen, aber immer noch keine Spur von unserem Mörder.«
Falcáo setzte sich auf den Rand des Schreibtisches und überflog den Einsatzbericht.
» Wir haben noch sechs Tage, dann wird die Aktion eingestellt. Langsam sollten wir etwas in Erfahrung bringen.«
Falcáo lächelte. » Dann werde ich in sechs Tagen meine Wette gewinnen.«
Zagallo schüttelte den Kopf. » Sechs Tage sind eine lange Zeit. Wir werden uns morgen noch einmal das Viertel vornehmen. Damit rechnen die Verbrecher nicht. Das wird sie komplett aus der Fassung bringen.«
Bevor Falcáo antworten konnte, klopfte es an der Tür.
» Ja«, rief Zagallo.
Die Tür wurde geöffnet, und ein uniformierter Sergeanto trat ein und salutierte.
» Was ist?«
» Capitão, wir haben einen Mann festgenommen, der etwas über den gesuchten Mörder weiß. Er will mit Ihnen
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