Mutiert
Dumas das Gebäude verlassen hatte, murmelte er einen leisen Fluch, bevor er zu seinem Handy griff und Luelas Nummer wählte.
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Acampamento dos infectados nahe Urucará, Amazonasgebiet
Lager der Infizierten war die offizielle Bezeichnung der Regierung für die Zeltstadt nahe Urucará, wo sich weit über einhundert große Militärzelte aneinanderreihten und eine Sicherheitszone aus mehreren Reihen Stacheldraht um das Areal errichtet worden war. Campo dos moribundos, Camp der Todgeweihten, nannten es die Einheimischen, denn jeder, der hier eingeliefert wurde, war zum Tode verdammt. Bislang blieben alle Bemühungen der zahlreichen Ärzteteams vergebens, die von der Regierung hier zusammengezogen worden waren; niemand überlebte die Virusinfektion. Die Zahl der Verstorbenen war mittlerweile auf über dreihundert angestiegen, und beinahe die gleiche Anzahl von Menschen lag in den Zelten und wartete auf den Tod.
Militärstreifen patrouillierten um das Gelände, niemand durfte das Lager ohne Genehmigung verlassen. Pioniereinheiten hatten direkt am Fluss einen Anlegesteg errichtet, wo beinahe stündlich weitere Infizierte mit den großen Amazonasfährschiffen eingeliefert wurden. Die Erkrankten stammten beinahe ausnahmslos aus der Region um den Rio Jatapu, doch auch die ersten Fälle aus Santana, einer kleinen Siedlung am Rio Uatumá, waren bekannt geworden.
Patrouillenboote des brasilianischen Militärs sicherten den Flusslauf. Über Lautsprecher wurde in allen Sprachen und Dialekten des Amazonasbeckens verkündet, dass niemand den Fluss überqueren dürfe, da sonst rücksichtslos von der Schusswaffe Gebrauch gemacht würde.
Dennoch hatten ein paar Fischer versucht, die Region um den Rio Uatumá zu verlassen. Erst als gezielte Salven aus den Maschinengewehren der Patrouillenboote unmittelbar neben ihnen im Wasser einschlugen, drehten die Fischerboote ab und landeten am nördlichen Ufer des großen Flusses.
Das Dröhnen von Hubschraubern war zu hören, und Einheiten des Zivilschutzes arbeiteten unter Hochdruck, um die Kommunikation mit der Hauptstadt des Bundesstaates wieder herzustellen. Die Soldaten und Militärpolizisten trugen trotz der sengenden Hitze des Tages Gasmasken und hochgeschlossene Overalls.
Lila hatte sich mit dem Cabo und Pater Innocento am Anlegesteg getroffen, um den Transport ihrer Erkrankten ins nahe Camp zu überwachen. Sie waren mit einem Hubschrauber des Militärs vor zwei Stunden gelandet und hatten ihr Quartier innerhalb der Sicherheitszone bezogen. Auf dem Weg zur Landungsstelle kamen Lila und der Cabo an einem nochmals separat abgesperrten Sicherheitsbereich vorbei, in dem amerikanische Marinesoldaten gerade ein Labor aus mehreren silberglänzenden Containern errichteten.
» Das ist ein spezielles Hochsicherheitslabor«, erklärte Lila dem Cabo. » Es gibt nicht viele davon. Die US -Marine hat ihre Unterstützung zugesagt, außerdem wird die Weltgesundheitsorganisation ein paar Spezialisten hierher schicken. Ich kann nur hoffen, dass es ihnen schnell gelingt, eine geeignete Therapie und Medikation zu finden.«
Der Cabo schaute sie fragend an. » Haben wir keine solchen Spezialisten im eigenen Land?«
Lila lächelte mitleidig. » Leider sind unsere medizinischen Kapazitäten noch nicht so weit entwickelt wie in anderen Ländern. In den USA forschen Virologen und Molekularbiologen schon seit Jahren an den genetischen Mustern der gefährlichsten Viren aus aller Welt. Es ist dort ein eigenes Fachgebiet mit Hochsicherheitslaboren und Instituten, die sich speziell mit der Infektionsthematik befassen. In Brasilien sind wir noch dabei, die medizinische Grundversorgung überhaupt erst einmal flächendeckend auszubauen.«
Der Cabo blieb kurz stehen und zeigte auf drei amerikanische Marinesoldaten, die einen der silbernen Container mit einer Plastikfolie überzogen.
» Was tun die drei da?«, fragte er die Ärztin.
» Dieses Labor wird mit einer speziellen luftdichten Hülle umgeben, damit jederzeit ein Vakuum erzeugt werden kann. Viren sind zwar keine Lebewesen, so wie Bakterien, aber auch sie benötigen Sauerstoff zum Überleben.«
» Ich beneide niemanden, der dort drinnen arbeiten muss«, murmelte er nachdenklich.
» Es sind Fachleute, die genau wissen, was sie tun«, beschwichtigte Lila. » Damals in den USA , als ich noch eine junge und unerfahrene Studentin war, da träumte ich davon, einmal in einem solchen Labor zu arbeiten. Aber dazu hätte ich in Amerika bleiben müssen.«
Der
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