Mutiert
schaute sich Gene um, neben ihm saß ein Japaner, der ihn lächelnd musterte. » Ich bin … ich habe … ja, schon gut, schon gut«, entgegnete Gene nach einer Weile und griff zum Gurt. Beinahe hätte er sich verraten, doch ihm war noch rechtzeitig eingefallen, dass ihn Mona unter falschem Namen an Bord der Maschine geschmuggelt hatte.
Etwa zehn Minuten später setzte die Maschine auf dem Louis-Armstrong-Flughafen auf. In der Menschenmenge trottete Gene zum Gateway. Eine Passkontrolle war auf Inlandsflügen nicht vorgesehen. So passierte er unbehelligt die Drehtür zur Gepäckabfertigung, holte seinen Koffer und begab sich zum Ausgang des Abfertigungsgebäudes, wo mehrere Schalter von Autovermietungen untergebracht waren. Am Schalter von Alamo mietete er sich einen Dodge Ram, wobei er eine Kreditkarte mit einem anderen Namen vorlegte. Einen entsprechenden Führerschein besaß er ebenfalls. Als Privatdetektiv hatte er damals schnell gelernt, dass falsche Papiere bei der Ausübung seines Berufs bisweilen unentbehrlich waren. Sich solche Papiere zu beschaffen, war in einem Moloch wie Miami kein Problem; man musste nur die richtigen Leute kennen.
Eine halbe Stunde später fuhr Gene Mcfaddin mit seinem gemieteten Dodge über die Interstate Nummer 10 in Richtung Baton Rouge. Die Stadt lag knapp einhundert Kilometer von New Orleans entfernt. Er war gespannt, was ihn in Baton Rouge oder besser gesagt in White Castle erwartete. Welche Rolle spielte ein texanischer Onlinebroker aus einer Beamtenfamilie in diesem Fall? Zumindest würde er nicht wieder abreisen, bis er mit Hastings geredet hatte. Noch bevor er Bonet Carre hinter sich gelassen hatte, stand er das erste Mal im Stau. Wagen reihte sich an Wagen. Gene seufzte. Wenn das so weiterging, dann würde er Baton Rouge erst in den Abendstunden erreichen. Und das, obwohl er sich vorgenommen hatte, noch heute mit seinen Nachforschungen in White Castle zu beginnen.
Flughafen Franz Josef Strauß, München, Deutschland
Luisa Behringer hatte am frühen Morgen eingecheckt und wartete ungeduldig auf den Abflug der A 330 von München nach New York, wo im The Benjamin Hotel unweit von Ground Zero schon am nächsten Tag ein Treffen mit Professor Sander und dem restlichen Team geplant war. Luisa freute sich auf ihren Auftrag, obwohl sie auch ein klein wenig angespannt war angesichts der schwierigen Aufgabe, die ihr bevorstand. Inzwischen hatte sie aus Genf genügend Infomaterial über den bislang noch unbekannte Virus erhalten, das Jatapu-Virus, wie es inzwischen analog zum Ebola-Virus genannt wurde, da es das erste Mal in der Region um den Rio Jatapu auftrat. Damals vor knapp zehn Jahren, bei ihrem ersten Einsatz anlässlich des Ebola-Virus in Mittelafrika, hatte sie die meiste Zeit in einem Labor in Europa zugebracht. Diesmal sollte es anders werden, diesmal war sie direkt an der Front. Übermorgen würde das Team nach Brasilien aufbrechen. Feldforschung bedeutete, direkt vor Ort des Geschehens zu sein, direkt mit den infizierten Menschen in Kontakt zu kommen und direkt mitzuerleben, welch verheerende Wirkung diese noch unbekannte Krankheit auf den menschlichen Organismus hatte. Natürlich war diese Arbeit gefährlich, doch Angst vor einer Ansteckung hatte sie nicht.
» Wenn man nur die Regeln der Sicherheitsstufe 4 befolgt, dann kann einem nichts geschehen«, hörte sie die Stimme ihres ehemaligen Professors sagen, der während ihres Studiums keine Möglichkeit ausließ, um auf die Gefährlichkeit im Umgang mit höchst aggressiven Viren hinzuweisen. Und genau das hatte sie vor.
» Ich hoffe nur, dass wir heute überhaupt noch abheben«, sagte die ältere Frau, die neben Luisa in der Businessclass am Fenster Platz genommen hatte.
» Ich denke schon«, gab Luisa zurück.
» Ich fliege nach New York zu meiner Tochter, um meine Enkel zu besuchen«, fuhr die Dame im beigen Kostüm fort. Sie mochte wohl schon weit über sechzig Jahre alt sein.
» Das ist schön«, antwortete Luisa kurz angebunden. Ihr Sinn stand nicht nach einer Unterhaltung.
» Besuchen Sie auch jemanden?«
» Ich bin geschäftlich unterwegs«, entgegnete Luisa knapp, als sich die Triebwerke plötzlich lautstark bemerkbar machten.
» Na endlich«, seufzte die Dame, als sich der Airbus in Bewegung setzte und über den Rollway zur Startbahn rollte.
Zweiter Teil
Todeszone
21
Acampamento dos infectados nahe Urucará, Amazonasgebiet
Stille lag über der Zeltstadt vor den Toren Urucarás. Die Morgensonne war
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