Mutter bei die Fische
hätte schicken können, gab es nicht. Sten war tot, und Falk hatte dessen Erbe angetreten. Freunde schien Harms auch keine zu haben, nur einen Anwalt. Und der würde sich kaum verpflichtet fühlen, den alten und kranken Mann zu pflegen und zu versorgen.
Falk hatte aber gar nicht den Platz, Harms bei sich einzuquartieren. Die Kate war für einen Menschen gedacht, übergangsweise könnte Falk noch mit Gina darin wohnen, doch auch das wäre niemals eine Dauerlösung. Falk hätte also sein Erbe verkaufen müssen, um Harms unterzubringen und durchzufüttern â um dann erneut ohne Beruf und Besitz dazustehen. Jetzt, wo er vorhatte, Gina zu heiraten und sich mit ihr eine gemeinsame Zukunft aufzubauen.
Falk, Grit und Piet hatten bis zum Morgengrauen beisammengesessen und versucht, das Problem von allen Seiten zu beleuchten, aber sie waren ohne Lösung geblieben. Einzig die Tatsache, dass Piet Grit in den Arm genommen und ihr versichert hatte, er sei für sie da und würde für sie beide sorgen, wenn sie vorhätte, ganz nach Heisterhoog zu kommen, hatte Grit in ihrer Verzweiflung getröstet. Und Falk die Gewissheit gegeben, dass sie beide nicht allein mit ihrem Problem waren.
Grit hatte die Möglichkeit allerdings vorerst ausgeschlossen, denn der feste Job als Oberschwester war ihr wichtig, und sie wollte mit fast fünfzig nicht alles hinschmeiÃen. Sie würde aber mit ihrem Chef reden und um zwei weitere Wochen Sonderurlaub bitten.
Falk bekam die Aufgabe, mit Harms zu sprechen. Denn dieser müsste ja auch eine Vorstellung davon haben, wie es weitergehen sollte, schlieÃlich war er ja mit einem bestimmten Vorsatz auf die Insel gekommen â hoffte jedenfalls Falk.
Aber Grit hatte nur die Augenbrauen zusammengezogen und Falk mitleidig angeguckt. »Einen Plan? Dein Vater? Wach auf, Falk.«
In der Morgendämmerung war Falk aufgebrochen und durch das diffuse graue Morgenlicht geradelt, das exakt seine Seelenlage widergespiegelt hatte. Wenigstens eine ganz kleine Mütze voll Schlaf wollte er noch bekommen.
Tatsächlich war dann in der folgenden Woche so viel passiert, dass Falk das Gespräch mit Harms erfolgreich hinauszögern konnte.
Der Dienstag war damit vergangen, dass Falk sich hingebungsvoll um seine Nase gekümmert hatte, die eine sehr attraktive ocker-schlammgrüne Färbung angenommen hatte. Aber die Schmerzen waren fast verschwunden und die Schwellung deutlich kleiner. Falk zerbrach sich den Kopf, wie er das Gespräch mit seinem Vater beginnen sollte, schlieÃlich konnte er schlecht mit der Tür ins Haus fallen und Harms damit konfrontieren, dass für ihn eigentlich kein Platz auf der Insel war. Bis zum Abend kam er zu keinem Ergebnis und war froh, dass er Harms nicht getroffen hatte. Denn das kam ja noch dazu: Falk hatte keinen Schimmer, wo sein Vater sich aufhielt. Nach wie vor war er darauf angewiesen, dass entweder Harms zu ihm kam oder sie sich zufällig über den Weg liefen. Er hoffte im Stillen, dass nichts davon allzu schnell passieren möge, damit er noch ein bisschen Luft hatte, darüber nachzudenken.
Am Mittwoch lud Thies spontan zu einem Skatabend. Er hatte von einem befreundeten Fischer frisch geräucherte Aale bekommen, »die müssen weg«, wie Thies mit seinem unnachahmlichen Charme behauptete. Falk nahm die Einladung dankbar an, denn das war eine weitere willkommene Gelegenheit, das Gespräch mit Harms zu verschieben.
Am späten Nachmittag, als Falk gerade seine Bude zugesperrt und Nille nach Hause geschickt hatte, kam Silke Söderbaum über den Strand gelaufen, in einem langen, duftigen, blumenbunten Sommerkleid und mit offenen Haaren. Falk war baff, so attraktiv zurechtgemacht hatte er Silke noch nie gesehen. Sie strahlte und stellte kommentarlos eine Flasche Aquavit auf den kleinen Tisch bei Thies, bevor sie den Cowboy liebevoll auf den Mund küsste. Thies errötete tatsächlich und wandte sich schnell ab, damit niemand sehen konnte, wie glücklich er lächelte.
»Sonst wird uns schlecht von dem fetten Aal«, erläuterte Silke ihr Mitbringsel.
Falk war skeptisch. »Dann wird mir bestimmt vom Schnaps schlecht.«
Silke lachte. »Du Schäfchen! Damit besäuft man sich doch nicht! Davon genieÃt man ein oder zwei Gläser nach dem Essen, das warâs dann auch.«
Jetzt mischte sich Kai ein. Er hatte ebenfalls schon Feierabend, war aber augenscheinlich noch
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