Mutterliebst (German Edition)
Dann fährt er fort. „Alles, was wir in Chicago rausgefunden haben, ist, dass die Braut irgendeinen alten Kauz gevögelt und erpresst und sich dann mit seinem Geld auf und davon gemacht hat. Und jetzt erzählen Sie mir, dass sie irgendwelchen abgefahrenen wissenschaftlichen Kram anstellt, anstatt irgendeinen Scheiß im Home-Shopping-Kanal zu kaufen. Sie ist Ärztin, um Himmels willen – die machen so was. Das alles führt uns nirgendwohin.“
„John“, platzt sie heraus. „Sie hat einen toten Fötus in ihrem Wandschrank.“
Das Kauen hört auf. „Sie hat was in ihrem was?“
„Sie haben mich verstanden.“
Es entsteht ein Schweigen.
„Gott, das ist alles zu bizarr, um es in Worte zu fassen. Glauben Sie mir, Doaks, in diesem Haus geht etwas wahrhaft Bösartiges um. Das spüre ich.“
Doaks stöhnt. „Hören Sie, Honey, wir zeigen also, dass die Braut nicht ganz richtig im Oberstübchen ist und einen Fötus im Wandschrank versteckt. Worauf wollen wir damit hinaus? Wollen Sie morgen früh ins Gerichtsgebäude marschieren, der Richterin dieses Ding vor die Nase halten und ‚Mörderin‘ schreien?“ Eine kurze Pause, dann entnervtes Gemurmel. „Himmel, warum bekomme ich immer diese völlig durchgeknallten Aufträge? Ist nicht mal jemand anderes an der Reihe?“ Ein Husten. „Schauen Sie, Danny, Sie wissen ganz genau, dass Sie nichts haben, was diese Frau und mit dem Tod ihres Jungen in Verbindung bringt. Sie pissen in den Wind.“
„Den Teufel tue ich!“ Vor Wut sieht sie rot. „Ich habe ein elektrisches Hundehalsband gefunden. Sie muss Jonas damit gequält haben. Es gibt keinerlei Hinweise auf einen Hund hier.“
„Warten Sie einen Moment.“ Es entsteht eine kurze Pause. „Ja, ich habe das gleiche auf dem Speicher in Chicago gefunden. Aber vielleicht hatte sie den Hund nur zur Pflege oder übergangsweise bei sich aufgenommen. Und selbst wenn es stimmt, heißt das nicht, dass sie ihren Sohn umgebracht hat, Danielle. Das wissen Sie, ich weiß es, und die Geschworenen werden es auch wissen.“
„Kindesmisshandlung führt niemals zu Mord?“
„Es gibt kein Muster, keine Beweise“, entgegnet er. „Nichts in ihren Akten, in ihrer Vergangenheit.“
„Soweit wir das wissen.“
„Soweit wir es im Moment beweisen können.“ Seine Stimme klingt müde. „Kommen Sie, Missy, fliegen Sie zurück, ja? Ich habe Ihnen doch bereits versprochen, dass ich nach der Anhörung zurückkomme und nachforsche, und Sie wissen, dass ich das tun werde. Ich will damit nicht sagen, dass die Braut nicht verrückt ist – das ist sie zweifellos. Was ich damit sagen will, ist, dass Sie sich selbst mit dem Rücken an die Wand stellen, wenn Sie Ihren Arsch nicht bis neun Uhr morgen früh in den Gerichtssaal schaffen.“
„Ich kann nicht. Ich bin noch nicht fertig.“ Sie klingt nicht nur stark, sie fühlt auch einen unbändigen eisernen Willen.
Zwischenzeitlich ist sie wieder in das Gästezimmer gegangen. Sie muss sich konzentrieren. Irgendwo muss es noch etwas geben, etwas, das sie übersehen hat. Sie blickt auf den Tisch mit den Petrischalen und auf den Wandschrank mit seinen ganz eigenen Entsetzlichkeiten. Hier muss Marianne ihre Geheimnisse aufbewahren, dessen ist sie sich gewiss. Aber was hat sie übersehen? Danielle wendet sich dem anderen Tisch zu. Natürlich, der Computer. Wie konnte sie so blind sein? Marianne und Computer. „John? Hören Sie, ich habe etwas gefunden. Ich rufe Sie zurück.“ Ehe er etwas sagen kann, klappt sie das Handy zu.
Danielle zieht den Drehstuhl heran und setzt sich. Während der Computer hochfährt, öffnet sie die erste Schublade und durchstöbert ein Sortiment Stifte, Büroklammern und Notizblöcke. Die Schublade auf der anderen Seite ist voller CDs, die mit seltsamen Zahlen und Buchstabencodes beschriftet sind, die Danielle nicht versteht. Der Aktenschrank darunter ist verschlossen. „Endlich“, wispert sie. Eine verschlossene Tür bedeutet, dass dahinter etwas versteckt wird. Ihr Atem beschleunigt sich, während sie in ihrer Tasche kramt. Sie hat ihn – den kleinen Schlüssel, den sie in Mariannes Unterwäscheschublade gefunden hat. Erneut holt sie tief Luft und steckt ihn in das Schloss des Aktenschranks. Die Tür springt auf. Sie sieht ein paar Fotoalben und mehrere mit Stoff bespannte Bücher. Und ganz vorne steht eine Box mit Disketten. Sie zählt sie. Fünf.
Hastig erinnert sie sich daran, das Atmen nicht zu vergessen, während sie sich dem Computermonitor zuwendet.
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