Mutterliebst (German Edition)
Sie legt die erste Diskette ein. Der Desktop hat die typischen Icons. Sie klickt auf den Dokumentenordner und öffnet ihn. Ein schneller Blick enthüllt nichts Ungewöhnliches. Sie bemerkt einen Ordner namens „TGRFT“ auf dem Desktop. Sie öffnet ihn. Es handelt sich um eine Studie zum Verpflanzen von Gewebe. Andere Dokumente mit ähnlichen Akronymen scheinen kodierte Ergebnisse von Experimenten zu enthalten, bei denen es um diverse Infektionen und Bakterien geht. Die letzte Serie schließt Beobachtungen zu organischen Gehirnschäden ein, psychiatrische Verhaltensstörungen – inklusive klinischer Studien relevanter Medikamente – sowie Hinweise auf Webseiten und Links. Das Dokument mit dem Namen „Maitland“ besteht aus sorgfältig gesammelten Artikeln zu der Klinik, sonst nichts. Danielle seufzt. Wenn jemand sich ihren Computer vornehmen würde, so würde er ziemlich ähnliche psychiatrische Nachforschungen entdecken, die sie zu Max angestellt hat. Es ist das, was Mütter von psychisch kranken Kindern nun mal tun.
Danielle blickt auf die Uhr. Dreißig Minuten, um zum Flughafen zu kommen. Diesen Flug darf sie nicht verpassen. Rasch öffnet sie die verbleibenden Dokumente, doch sie findet nichts, das mit Mariannes Erpressung von Jojanovich zu tun hätte, geschweige denn die gefälschten Unterlagen, die sie produziert hat. Marianne ist nicht dumm. Sie würde niemals belastendes Material auf ihrem Computer zurücklassen. Danielle nimmt die erste der Disketten auf ihrem Schoß, legt sie ein und stöhnt. Das Fenster, das sich öffnet, beinhaltet ein Wort und dann ein freies Feld. Passwort , verlangt es. Sie versucht, es zu umgehen, doch der Computer verweigert ihr den Zugriff. „Verdammt.“
Denk nach, schnell. „Geburtstage, Jahrestage, Spitznamen“, murmelt sie. Sie zieht Jonas’ Anmeldungsformular für Maitland aus ihrer Tasche hervor. Darauf steht Mariannes Geburtsdatum, Jonas’ Geburtsdatum und die Sozialversicherungsnummer. Danielle versucht jedwede Kombination daraus, die ihr einfällt. Zugriff verweigert.
Erneut blickt sie auf die Anmeldung. Sie betrachtet die gefälschte Adresse in Pennsylvania. 5724 Piedmont Lane. Sie dreht das Blatt um. Die Telefonnummer von Jonas’ Allgemeinarzt, den Maitland nie kontaktieren würde, erregt ihre Aufmerksamkeit. 555-4600. Dieser Zufall wäre sicherlich zu groß. Sie tippt mehrere Variationen dieser Nummer ein, ohne Erfolg. Verzweifelt steht Danielle auf und tigert durch das Haus. In Jonas’ Zimmer setzt sie sich aufs Bett. Marianne und Jonas starren sie vorwurfsvoll von dem Foto an der Wand an. Als sie aufsteht, um zu gehen, fällt ihr Blick auf die Stickarbeit von Mutter und Kind. Jedem braven Jungen geht es gut. Ihre Gedanken überschlagen sich, während sie zurückeilt und die Worte in den Computer tippt. Nichts. Dann erinnert sie sich an ein Spiel, das sie immer mit den Nachbarskindern gespielt hat – sie haben die Buchstaben des Alphabets in Zahlen umgewandelt, sodass sie kodierte Nachrichten verschicken konnten, die die Eltern nicht verstanden. Sie tippt die Zahlen für den ersten Buchstaben jedes Wortes ein. 10-2-10-7-5-7. Nichts. „Verdammt!“ Sie schlägt mit der Faust auf den Tisch. Auf diese Weise kommt sie nicht weiter, und die Minuten verrinnen unbarmherzig. Ein letzter Versuch. Sie schnappt sich Stift und Block, kritzelt wild herum und tippt „JBJGEG“ ein.
Das Fenster mit dem Passwort verschwindet, und eine Liste mit Dokumenten öffnet sich auf dem Bildschirm. Danielle spürt, wie sich ihre Nackenhaare aufrichten. Marianne muss davon ausgegangen sein, dass nie jemand anderes diesen Computer nutzen würde. Die Dokumente haben keine Titel, aber sie scheinen chronologisch geordnet zu sein. Ein kurzer Blick zeigt, dass der erste Eintrag kurz vor Mariannes Ankunft in Maitland datiert ist. Danielles Hände zittern, als sie auf das Dokument klickt.
Liebe Doktor Joyce,
alles, was ich mir je gewünscht habe, ist die bedingungslose Liebe, die ein Kind seiner Mutter entgegenbringt – die Art, die Joyce Brothers versteht. Deshalb widme ich ihr meine Gedanken. Ich bin eine ganz besondere Mutter – eine beachtliche Leistung angesichts meines Gesundheitszustands. Ich hatte achtundsechzig Operationen, jede aufregender als die letzte. Natürlich nicht alle im selben Krankenhaus, das wäre unklug gewesen. Alle Babys sind am Anfang recht süß – zumindest unmittelbar nach der Geburt. Doch nach den ganzen Oha und Aah lässt man dich mit dem kleinen
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