Mutterliebst (German Edition)

Ehren.“
    Marianne dreht sich zur Richterin um und schluchzt hysterisch. „Euer Ehren, wenn ich mich nur einen Moment sammeln könnte …“
    „Natürlich, Miss Morrison“, versetzt Hempstead. „Sie dürfen aus dem Zeugenstand treten und Ihren Platz im Gerichtssaal einnehmen.“
    Langley springt auf und begleitet Marianne hinter die Absperrung. Sie nimmt ein paar Reihen weiter hinten Platz und wischt sich die Augen.
    „Fahren Sie fort, Miss Parkman“, sagt Hempstead angespannt.
    Danielle nickt dem Gerichtsdiener zu, der daraufhin zur anderen Seite des Gerichtssaals geht und eine weiße Leinwand hinunterlässt. Auf seinem Weg zurück löscht er das Licht. Die Dunkelheit ist beinahe greifbar. Das einzige wirkliche Licht kommt von Danielles Laptop, den Doaks auf den Tisch der Verteidigung gestellt hat. In Arizona hat Danielle ihre Digitalkamera benutzt, um verschiedene Seiten aus Mariannes Tagebüchern zu fotografieren und dann auf ihren Computer zu laden. Jetzt beugt sie sich über den Laptop und drückt einen Knopf.
    Stille senkt sich über den Gerichtssaal. Die Dunkelheit verleiht den Worten, die auf dem Bildschirm flimmern, eine surreale Aura. Die Handschrift fließt und bewegt sich mit femininen Schnörkeln und blumigen Ausrufezeichen über das Papier. Es ist beinahe so, als wäre sie ein lebendes Wesen.
Liebe Dr. Joyce,
Maitland war die entscheidende Erfahrung meines Lebens! Jeder Tag war angefüllt mit Drehungen und Wendungen, beinahe wie eine Improvisation am Broadway. Mit diesem Kaliber medizinischer Koryphäen zu konferieren begeistert mich, auch wenn es nicht mehr als recht und billig ist. Es gibt nur eine klitzekleine Enttäuschung, die das Gesamtbild trübt. Es nähert sich alles seinem Ende. Mein Gott, wie schade ist es, den Gipfel des Berges allein zu erklimmen. Niemand wird erkennen, wie wahrhaft brillant ich bin, denn wenn ich diese schlichte Tatsache enthüllen würde, dann würde ich alles ruinieren. Dennoch ist das eigentlich Wichtige, dass ich den Test bestanden habe, dass ich sie alle übertroffen habe. Wartet nur alle ab, bis ich meinen abschließenden Plan ausgeführt habe. Das wird mein erhebendster Augenblick sein. In etwa so, wie das beste Stück Schokolade aus der Valentins-Schachtel zu essen.
Es ist jammerschade um Jonas. Ich nehme an, es war selbstsüchtig von mir, ihn so lange bei mir zu behalten. Ich habe dafür gesorgt, dass Kevin, Ashley und Raymond diese Welt verlassen haben, als sie es mussten, und nun ist mir klar: Gott möchte, dass ich Jonas nach Hause bringe. Für alles gibt es eine Zeit, wissen Sie. Das Hochgefühl, den Ärzten zu beweisen, dass Jonas genau das ist, was er zu sein scheint – genau so wie ich ihn erschaffen habe –, hat den Kreis geschlossen. Jetzt muss ich mich auf den liebenden Plan konzentrieren, der vor mir liegt.
Da der liebe Gott mir Max geradewegs zugeführt hat, ist mir klar, dass sein letztendlicher Zweck im Leben darin besteht, mir dabei zu helfen, Jonas in die nächste Welt zu bringen und sein Leiden für immer zu beenden. Ich bin sicher, dass Danielle Max vermissen wird, aber Gott wird wissen, dass sie das ultimative Opfer gebracht hat. Außerdem ist das Leben nun mal grausam, wenn es darum geht, ein höheres Ziel zu erreichen. Schaut euch Jesus an. Ich denke oft darüber nach, dass rechtschaffene Taten in diesem Leben erst im nächsten belohnt werden.
Sowohl Danielle als auch ich werden einen Platz im Himmel sicher haben.
    Ein kollektives Keuchen geht durch die Menge. Max umklammert Danielles Hand. „Es ist alles in Ordnung“, wispert sie. Sie nickt dem Gerichtsdiener zu, der das Licht gerade so weit aufdreht, dass das Gesicht der Richterin erhellt wird. Es ist genauso weiß wie die Projektorwand. Sie schaut Danielle an, die ein weiteres Objekt aus dem Karton herausholt. In dem schwachen Licht nimmt ein blaues Samtetui Form an. Danielle geht zum Richterpult hinüber und reicht es Hempstead. Die Richterin öffnet es, wird noch bleicher und schließt die Augen. Danielle nimmt es ihr schweigend wieder ab und geht damit zum Tisch der Anklage hinüber. Was Langley sieht, lässt seinen Mund vor Entsetzen offenstehen.
    Hempsteads Stimme zittert. „Miss Parkman, bitte identifizieren Sie, was Sie mir gerade gezeigt haben.“
    „Euer Ehren, Lieutenant Barnes hat heute Morgen einen Durchsuchungsbefehl für Miss Morrisons Hotelzimmer erwirkt. Er hat das Tagebuch entdeckt, diverse Ampullen und Spritzen – und das.“ Sie leiht sich Doaks’