Mutterschuldgefuehl
ausgibt.
Zum Schluss kommt immer die gleiche Entspannungsübung. Einmal durften wir eine Plastikpuppe wickeln. Die restliche Zeit lauschen wir ungläubig oder missmutig den heiteren Geschichtchen aus dem KreiÃsaal, die die geschwätzige Hebamme zum Besten gibt, oder wir üben verschiedene Geburtsstellungen. Das besondere Schmankerl war heute die VierfüÃler-Stellung. Wir Dickbäuchigen mussten auf Händen und Knien hecheln und die Männer sollten uns Frauen von hinten den Rücken streicheln. So was muss man wohl üben. Zwei Väter in spe warfen Zoten in den Raum und lachten dreckig. Ich kann nicht glauben, dass ich mir das hier antue.
Aber selbst schuld! Ich hätte mich ja gründlicher informieren können. Wenn ich anderen werdenden Müttern von diesem miesen Kurs erzähle, schauen sie mich nur begrenzt mitleidig an. Eher so, als hätte ich noch immer nicht begriffen, wo es langgeht.
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»Hast du dich denn nicht vorher erkundigt?«
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Nein, habe ich nicht. Böser Fehler. Ich habe mir tatsächlich mal den Luxus erlaubt, gutgläubig zu buchen. Wenigstens, so tröste ich mich, kann mir keiner den Vorwurf machen, die Teilnehmerliste nicht gecheckt zu haben. Die gibt es ja für uns nicht vor Kursbeginn.
Aber alles Jammern hilft nichts. Die Geburt will vorbereitet sein, und ich bin wild entschlossen, den Begriff »Risikopatientin« Lügen zu strafen. Um optimale Ausgangsbedingungen zu schaffen, ist es wichtig, körperlich fit in die Wehen zu gehen und sich vorab mit dem Schmerz und der Wehenarbeit auseinanderzusetzen. Deswegen gibt es ein groà angelegtes Spektrum an Vorbereitungsmöglichkeiten. Was verbringe ich nicht all meine Zeit damit, mich ausgiebig auf die Geburt einzustimmen. Ich hechele nicht nur präventiv im besagten Geburtsvorbereitungskurs, lege meine Beine ab und mache mich mit akrobatischen Gebärtechniken vertraut. Ich paddele auch schwankend beim Schwangerschaftsschwimmen durchs Wasser und versuche verzweifelt, in der Gymnastikstunde für werdende Mütter meinen Beckenboden
in »Aufzugsspielchen« zu entdecken, damit er sich in der Stunde der Wahrheit reibungslos öffnet. Ich lasse meinen dicken Bauch betörend beim Bauchtanz kreisen und begegne dem Schmerz laut singend im Yoga. Ich engagiere mich. Der Fantasie, wie eine gelungene Geburtsvorbereitung auszusehen hat, sind ja heutzutage keine Grenzen gesetzt. Gott sei Dank aber meinem Zeitplan.
Natürlich wird auch mein Mann aktiv in die Geburtsvorbereitung einbezogen. Er wird schlieÃlich bei der Geburt dabei sein, ein Umstand, der meinen Vater äuÃerst amüsiert. Zu seiner Zeit mussten Männer drauÃen bleiben, und damit ist er bis heute auch völlig einverstanden. Er zeigt mir grinsend einen Vogel, als ich ihn zuckersüà frage, ob er nicht wenigstens als spätes Opfer an die Emanzipation bei der Geburt seiner Enkelin dabei sein wolle.
Heute ist das anders - heute ist der Mann ein jämmerlicher Waschlappen, der im wahrsten Sinne des Wortes der Geburt seines Kindes nicht mannhaft entgegenblickt. Der moderne Mann hat Blut und Windelkacke gesehen, jawohl! Die Geburt als partnerschaftlicher Adrenalinkick, ähnlich wie Bungee-Jumping, nur dass - um bei dem Bild zu bleiben - der Kick der Frau ist, unsanft aufzuprallen, und der Kick des Mannes, ihr dabei gebannt zuzusehen.
Die Niederkunft: Wo und wann darf es denn sein?
Ein Vorteil der partnerschaftlichen Geburt ist, so denke ich, dass mein Mann sich auch den Kopf zerbrechen muss, wie und wo wir denn nun niederkommen wollen. Ein Vorteil ist, so denkt er, dass er nur Begleitperson ist. Er hält sich bei dem schwierigen Thema gerne zurück und schiebt mir den Schwarzen Peter zu. Freiheit kann auch ein Fluch sein. Theoretisch ist alles möglich, von der intimen Geburt zu Hause oder im alternativen Geburtshaus bis zur hoch technisierten Klinikniederkunft mit angeschlossener Kinderintensivabteilung, von der Wassergeburt im heimischen Planschbecken über die XXL-Wanne im Krankenhaus bis hin zum eleganten
termingerechten Kaiserschnitt in der Privatklinik. Ich muss mich nur entscheiden. Und es ist klar - was es auch sei: Wenn die Wahl letztlich ein Fiasko wird, fällt immer ein Schatten auf mich als vorbereitende Mutter. Ich hätte es doch besser wissen müssen.
So entschlieÃe ich mich für den Mainstream. Durch die Schwangerschaftsbetreuung bin ich sowieso wie die meisten
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