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Mutterschuldgefuehl

Titel: Mutterschuldgefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Hartmann
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immer noch gestrickt sind, haben etliche das Gefühl, versagt zu haben, wenn die Geburt nicht perfekt lief. Wie viele Mütter schämen sich, weil sie sich während der Geburt verkrampften, brüllten oder nicht natürlich gebären konnten? Mal ganz abgesehen davon, dass es wohl kaum bessere Gründe gibt, die Fassung zu verlieren: vielleicht lag es gar nicht an ihnen oder am Gesundheitszustand von Mutter und Kind. Gehen Sie einmal die folgende Checkliste durch. Lag es vielleicht:

    1. am Ambiente
    Gefällt Ihnen immer noch der ausgesuchte Kreißsaal/ das Geburtshaus/das Schlafzimmer? Ist das Bett/die Badewanne /der Hocker/der Ball/das Seil bequem?
    Haben Sie Ruhe oder geht es bei Ihrer Entbindung zu wie auf dem Bahnhof - Hebammen rennen rein und raus und halten Pläuschchen, Ärzte sagen kurz Hallo, Sie werden am Telefon von der besorgten Mutter verlangt und so weiter …
    Â 
    2. an Ihrem geistigen Zustand
    Fühlen Sie sich fit oder eher verzweifelt?
    Können Sie den Schmerz bejahen oder sind Sie gerade heute besonders schmerzempfindlich?
    Haben Sie Zeit oder fühlen Sie sich gehetzt?
    Haben Sie überhaupt das Gefühl, sich so geben zu dürfen, wie Sie empfinden?
    Stehen Sie unter Medikamenteneinfluss? Wenn ja, warum?
    Â 
    3. am Hilfstrupp
    Ist Ihre Hebamme pünktlich zur Stelle?
    Werden Sie von ihr ermutigt oder angeraunzt, vielleicht sogar beschimpft?
    Geben die anderen Ihnen Vertrauen in Ihre Kräfte und Intuition oder rollen sie mit den Augen, wenn Sie nur den Mund aufmachen?
    Dürfen Sie gebären, wie Sie wollen? Haben Sie Vertrauen zu Ihren Helfern?
    Werden Sie gut betreut und versorgt oder fühlen Sie sich komplett überrannt und ausgeliefert?
    Â 
    4. an Ihrem Partner
    Verhält er sich adäquat?
    Versucht er, das Kommando zu übernehmen?
    Ist er irgendwie abwesend, ja vielleicht sogar aus den Socken gekippt?
    Ist er überhaupt da?

    Ich frage eine Mutter von elf gesunden Kindern. Die ersten beiden hat sie im Krankenhaus bekommen, die anderen sind Hausgeburten.
    Â»Wie ist das mit dem Kinderkriegen? War das nicht sehr schmerzhaft?«
    Sie überlegt, schaut mich dann ruhig an.
    Â»Ja, schon. Und jede Geburt ist ganz anders. Aber es wird immer einfacher. Ab der dritten wirst du erst so richtig locker, wenn man dich lässt.«
    Sie lacht amüsiert.
    Wie konnte man bloß auf den Gedanken kommen, Frauen als das »schwache Geschlecht« zu bezeichnen?
    Würden Männer Kinder gebären, würde in jeder größeren Stadt ein Denkmal für den heldenhaften Vater stehen, ganz egal, wie es gelaufen ist. Oder besser: je schrecklicher das Prozedere, desto heldenhafter der Mann.

Kapitel 3
    Mutterschuld
    Kaum habe ich die überwältigenden Erlebnisse der Geburt grob verdaut, werde ich abgeschoben. Es ist nicht mehr wie zu den Zeiten meiner Mutter, die nach einer normalen Entbindung 14 Tage Vollpension im Krankenhaus hatte.
    Â 
    Â»Heute geht es nach Hause«, ruft mir die Krankenschwester fröhlich zu, als sie ins Zimmer rauscht.
    Ich bin nicht begeistert. Ich bin erschöpft, das Familienzimmer gefällt mir gut, die Aussicht ist schön, das Essen ist prima. Außerdem laufen überall Experten herum und die Nachtschwester ist äußerst praktisch. Draußen lauert die Gefahr und das Ungewisse.
    Â»Ich bin doch erst seit drei Tagen hier. Kann ich nicht bleiben?«
    Â»Es gibt dafür keinen Grund. Sie sind fit!«
    Â»Vielleicht überlegen Sie es sich noch mal?«, versuche ich es mit beschwörendem Unterton und füge triumphierend hinzu:
    Â»Schließlich war ich Risikopatientin!«
    Sie belächelt mich mitleidig ob meines schwachen Versuchs und rennt wieder hinaus. Es hilft nichts. Ich kann laufen, ich kann stillen, ich darf gehen. Von nun an stehen wir auf eigenen Füßen. Da sind keine Großeltern, die um die Ecke wohnen, oder sonstige Verwandte, die sich bereitwillig
ausbeuten lassen. Ein paarmal kommt die Hebamme ins Haus, mein Mann nimmt sich zwei Wochen Urlaub, dann bin ich frischgebackene Mutter tagsüber auf mich allein gestellt. Zum ersten Mal habe ich die Verantwortung für etwas Lebendiges, das nicht nur überleben soll, sondern sich auch zu seinem Besten entfalten soll - und sich eines Tages detailliert beschweren kann.
    Väter machen es sich da oft leichter. Sie bedienen sich einer raffinierten Rückzugstaktik - sie gehen davon aus, dass Mütter auf magische Weise

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