Mutterschuldgefuehl
Mutter-Kind-Gruppen, in denen die Bewegungen und ÃuÃerungen der Kinder wie unter einem Laborglas betrachtet wurden und sich auch die Mütter als Mütter gegenseitig genau in Augenschein nahmen. Kinder und Mütter waren weitaus unbeobachteter und unbefangener als heute. »Frühkindliche Aggressionen« hieÃen noch »Rangeleien« und statt »dem Kind Grenzen zu setzen«, schimpften die Eltern.
Heute scheint das anders zu sein. Auf dem Spielplatz traut sich kaum jemand bei einem Kinderstreit spontan zu fluchen, die Kinder auseinanderzuziehen und vielleicht mit der anderen Mutter oder dem Vater dann darüber herzlich zu lachen. Denn dass es überhaupt zum Streit kommt, gilt häufig schon oft als Versagen der elterlichen Aufsichtspflicht und wird überaus kritisch gesehen. Ja, der Spruch »Es sind doch nur Kinder« wirkt heute bereits im Windelalter merkwürdig veraltet und wird kaum noch benutzt. Es sind eben nicht mehr nur Kinder; es sind kleine Menschen, die ihr volles Potenzial entfalten sollen.
Kapitel 6
Was für ein Kindergarten?!
Und weiter geht es auf dem langen Weg der Kindererziehung. Inzwischen ist meine Tochter knapp drei Jahre alt und - hurra! - mein Mann und ich haben eine zweite Tochter bekommen. Ich merke schnell, dass mir beim zweiten Mal alles leichter von der Hand geht und ich gelassener bin. Wie schön, etwas Erfahrung zu haben, mit Kindern, mit Ãrzten, pränataler Diagnostik, unerwünschten Informationen, Besserwissern und Ratgebern, Vorsorgeuntersuchungen, Babykursen und Mutteridealen. Wie wunderbar, die richtige Ausstattung bereits zu besitzen und zu wissen, woher der Wind in der Mutter-Erziehung weht.
Und etwas anderes hilft uns jetzt auch: Die GroÃe darf in den Kindergarten gehen, auch kurz Kita genannt. Sie darf Kinder und Garten haben in dieser GroÃstadt, in der das eben viele nicht haben.
Den geeigneten Kindergarten zu finden, ist eine Wissenschaft für sich. Schon eine gute Tagesmutter zu buchen, stellte sich weitaus schwieriger heraus als gedacht. Bis ich dahinterkam, dass die Aussage »Ich bin mit den Kindern jeden Tag drauÃen« auch bedeuten kann: »Ich gehe jeden Tag in den Supermarkt«, war einige Zeit vergangen. Dass auch Tagesmütter krank werden können und dann leider niemand auf das Kind aufpassen kann, wenn man es gerade dringend
braucht, ist auch alles andere als gut für das Nervenkostüm.
Daher freuen wir uns auf öffentliche Institutionen. Es gibt Krippen für Kinder von null bis drei Jahren und Kindergärten von drei bis sechs Jahren (die sich in Deutschland »Kindertagesstätten« nennen, wenn sie Ganztagsbetreuung anbieten). Diese öffentlichen Institutionen haben einen klaren Vorteil: Wenn eine Erzieherin ausfällt, sind immer noch andere da. Sie halten sich hübsch gegenseitig in Schach und wissen, was sie tun. Was für eine wunderbar einfache Sache ein Kindergarten doch ist. Im Prinzip.
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Die Sonne scheint, die Kleine schläft im Kinderwagen, meine groÃe Tochter spielt im Sandkasten. Ich esse deliziösen Backe-backe-Kuchen, mache »Ah« und »Oh! Wie Lecker!« und die junge Bäckerin lacht entzückt. Auf dem Spielplatz tummeln sich die Mütter mit ihren Kindern. Heute ist ein guter Tag, ein friedlicher Tag.
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Auf einmal fällt ein Schatten auf uns.
»Hallo«, sagt eine Mutter zu mir. Sie steht vor uns. Wir kennen uns aus der Nachbarschaft.
»Hallo«, sage ich. »Hat es euch bei dem schönen Wetter auch nach drauÃen verschlagen?«
»Wir kommen gerade vom Kindergarten«, sagt sie. »Was für ein Stress!«
»Kindergarten?«, frage ich. Ich schaue ihre Tochter an. Sie ist gerade sechs Monate alt. »Willst du sie in eine Krippe geben?«
»Nein, nein«, sagt sie. »Wir haben sie angemeldet, damit sie mit drei Jahren einen Platz hat. Die Wartelisten sind lang.«
Verschwörerisch beugt sie sich zu mir herunter und senkt ihre Stimme. »Ich habe sie gleich in fünf Kitas angemeldet. Man weià ja nie.«
Ich nicke wissend. Klar, kenne ich. Ich habe meine Kleine auch gerade angemeldet und die GroÃe schon vor zweieinhalb Jahren.
»Welchen Kindergarten findest du denn am besten?«, frage ich.
»Also, für uns kommt nur der Markus-Kindergarten in Betracht«, sagt sie. »Die legen da sehr viel Wert auf Fremdsprachen und wissenschaftliche Projektarbeit. Und sie haben eine ganz
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