Mutterschuldgefuehl
Bullerbü.
Wenn ich mich aber unter Müttern mit diesen Argumenten nach meinen Wunschkindergarten umhöre, ernte ich nur mäÃige Zustimmung. Für die einen gilt: Natur, ja, schön, aber doch nicht so unübersichtlich! Verstecke sind eher gefährlich, da werden Kinder verprügelt, gewürgt und erschlagen. Man weià doch gar nicht, was die da tun. (An diesem Punkt der Unterhaltung werden gerne Horrorgeschichten aus dem Bekanntenkreis oder der Zeitung passend zum Thema erzählt, dass sich mir vor Entsetzen die Haare sträuben.) Ich denke an meine Kindheit und dass ich es als Kind ausgesprochen prima fand, unbeobachtet zu sein, aber wenn jemand nicht den Duft der Freiheit zu schätzen weià oder grundsätzlich glaubt, unter Verbrechern zu leben, was soll man da sagen?
Die anderen sind skeptisch, weil meine Ansprüche zu niedrig, ja, völlig überholt seien. Da müsse man doch wohl mehr pädagogische Prägung erwarten. Man kann doch nicht einfach die Entwicklung der Kinder sich selbst überlassen. Und die Dritten sind mit meiner Wahl nicht einverstanden, weil es schlicht nicht die ihre ist. Wir kennen das ja.
Die ewigen Diskussionen und »Abers« sind ermüdend, und so tarne ich bald meine altmodische Unbekümmertheit und setze scheinheilig auf Fortschritt. Ich frage die anderen Mütter nach Projektangeboten der Kitas und der Gartengestaltung und erhoffe mir durch die Blume die Auskunft über die guten alten Büsche und Bäume.
Bei meiner internen Schwerpunktsetzung muss ich allerdings verwundert feststellen, dass sich die infrage kommenden Institutionen rasant verringern. Im Prinzip bin ich der optimale Typ für den Waldkindergarten. Nur besteht der Waldkindergarten unserer Stadt aus einem Bauwagen in der matschigen Walachei. Was lerne ich da über mich? Ich bin
doch nicht der abenteuerlustige Wald-und-Wiesen-Typ! Ich bin der Trockene-FuÃ-und-gern-auch-mal-warm-im-Haus-Typ!
Leider liegen die meisten Kindergärten mit Häusern in meiner GroÃstadt auf wundersame Weise direkt an HauptstraÃen. Was haben sich die Planer dabei gedacht? Dass Kinder den Krach und den Dreck schon nicht so merken werden, laut und schmutzig wie sie selbst sind? Oder hat man groÃzügig die Grundstücke für Kinder reserviert, die sowieso keine hohen Preise auf dem Immobilienmarkt erzielen würden? Nun gut, die Selektion wird mir leicht gemacht.
Unter den verbliebenen Kandidaten fällt wieder einer aus, weil ich Interesse für einen Ganztagsplatz meiner Tochter signalisiert habe. Ich möchte wieder freiberuflich von zu Hause aus arbeiten. Aber wenn ich zu Hause bin, brauche ich doch keinen dieser begehrten Ganztagsplätze! Der empörte Blick und die eisige Verachtung der Institutsleiterin sind so vernichtend, dass ich hier auch keinen Halbtagsplatz beantragen will. Ich lerne wieder einmal: Mutter und Kind sind untrennbar miteinander verbunden. Weil ich zu Hause bin, muss meine Tochter das auch und ganztags auf Garten und Kinder verzichten.
Die gute Mutter bringt sich ein
Aber, nach eingehender Suche, vielen Kurz-Interviews mit Müttern und Recherche im Internet finde ich tatsächlich den Kindergarten meiner Wahl, nur ein paar Kilometer entfernt. Es ist ein katholischer Kindergarten. Die Leiterin ist nett und zuckt nicht zusammen, als ich ihr meine Situation erkläre, auch wenn auch sie mir keinen freien Ganztagsplatz anbieten kann. Eindeutig ein Nachteil: Die Ãffnungszeiten sind nicht so flexibel, wie ich sie gerne hätte. Kitas glauben noch an feste Arbeitszeiten von acht bis vier, während in der Arbeitswelt Flexibilität das Nonplusultra ist. Aber der Garten ist groÃ, die Erzieherinnen und die Ergänzungkräfte scheinen freundlich zu sein. In dieses Haus möchte ich gehen.
Mein Typ hat seinen Typ Kindergarten gefunden. Jetzt muss ich mein Kind nur noch vom Kinderarzt untersuchen lassen - Pflicht ist Pflicht -, und dann steht unserem Start in ein neues Leben nichts mehr im Weg. Endlich habe ich tagsüber verlässliche Hilfe! Und meine groÃe Tochter hat ihr Bullerbü. Sie bekommt einen Platz.
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»Hallo, Frau Hartmann«, sagt die Erzieherin freundlich, als ich meine Tochter eines Morgens abgebe. Die Eingewöhnungszeit haben wir erfreulich unkompliziert hinter uns gebracht. »Kann ich Sie mal ganz kurz sprechen?«
»Aber natürlich«, antworte ich, sehr bemüht, die aufgeschlossene
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