Mutterschuldgefuehl
und freundliche Mutter zu geben. Es ist wichtig, die Erzieherinnen bei Laune zu halten, sonst lassen sie den Ãrger eventuell beim Kind aus, und dann wird das Kind nicht glücklich. Das habe ich gelesen.
»Wir haben doch in zwei Monaten unser groÃes Kita-Fest«, sagt sie. »Hätten Sie nicht Lust, uns bei den Vorbereitungen ein bisschen zu helfen?«
Zu diesem Zeitpunkt meines Mutterlebens bin ich komplette Mutter-Fallen-Anfängerin. Ahnungslos frage ich:
»Ja, klar, was kann ich denn tun?«
»Wir haben da eine ganz nette Bastelgruppe, die würde sich sehr freuen, Unterstützung zu bekommen. Die Mütter machen wirklich ganz tolle Sachen, die auf dem Basar verkauft werden sollen. Das Geld kommt unserem Förderverein zugute. Wäre das etwas für Sie?«
»Ãh«, sage ich. In meinem Kopf blinken die ersten Alarmlämpchen. Ich versuche die Kurve zu kriegen. »Ich könnte doch vielleicht auch einen schönen Kuchen backen?«
»Das ist aber lieb, vielen Dank«, sagt die Erzieherin und lächelt wie geölt. Sie hat diese Szene schon tausendfach gespielt, so viel ist klar. »Aber wir haben schon ganz viele Muttis, die Kuchen backen. Aber die Bastelgruppe - das wäre toll â¦Â«
Ich denke an mein Kind. Ich denke an soziale Verantwortung. Ich denke an diese Erzieherinnen, die Hilfe brauchen. Und ich denke an die anderen Mütter.
»Okay«, sage ich und lächele verkrampft, »mache ich doch gern.«
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An dem anberaumten Termin der Bastelgruppe trabe ich also in die Kita. Und was sehe ich? Zwei nette Mütter auf winzigen Stühlen sitzend. Vier riesige Tische beladen mit unzähligen Bastelvorlagen.
»Schön, dass du hilfst!«, sagen sie. Ja, finde ich auch. Ich setze mich auf ein Stühlchen. Und dann drücken sie mir Schere und Eisbär-Vorlagen für schnuckelige Wandbilder auf weiÃer Pappe in die Hände, massenweise Eisbär-Vorlagen mit hübsch gemaltem Fellbüschelzacken, die eine Mutter zu Hause in stundenlanger FleiÃarbeit auf weiÃem Karton abgepaust hat und nun ausgeschnitten sein wollen. Ich schlucke. Ich bin mehr die anarchistische, groÃzügig Farbe verplempernde Hobbykünstlerin, die beim Malen gerne laut Musik aufdreht und Pinsel und Tanzbein schwingt. Das ist beim Fellbüschel-Schneiden kaum möglich. Beim Fellbüschel-Schneiden, so viel sei gesagt, heiÃt es Zähne zusammenbeiÃen, zusammenkauern, fokussieren, durchhalten.
Natürlich reichen zwei Stunden nicht aus. Im trauten Heim geht es abends gemütlich weiter. Ich sitze inmitten meiner Eisbärvorlagen, deren Dimensionen gefühlte Millionen annehmen, sehe die nächsten Abende der Woche detailliert vor mir und versuche, das aufkommende Selbstmitleid tapfer herunterzuschlucken.
Auf einmal habe ich die rettende Idee - wofür gibt es diese zackigen Bastelscheren? Diese Dinger, die jede Mutter besitzt, weil sie ihrem Kind die lustige Bastelwelt erschlieÃen will, damit es nicht nur grobmotorisch, sondern auch feinmotorisch hübsch entwickelt wird? Ich rase in das Kinderzimmer, hole mir die Schere, und dann - zack-zack-zack - verpasse ich den Bären unzählige Haarbüschel. Zufrieden betrachte ich mein Werk. Mein Gott, wie patent ich doch bin!
Beim nächsten Treffen unserer kleinen Bastelgruppe kann ich es kaum erwarten, den anderen stolz von meiner Zeitsparmethode zu erzählen - und ernte gekräuselte Oberlippen.
»Na«, sagt die eine schlieÃlich zu der anderen. »Haben wir noch Karton?«
»Müssen wir kaufen. Wir müssen das noch mal aufmalen«, sagt die andere ernst.
»Aber warum denn?«, frage ich bass erstaunt.
»Die Fellbüschel sind so viel zu gleichmäÃig. Siehst du das nicht? Das sieht nicht hübsch aus.« Und sie zeigt mir einen ihrer Eisbären. Tatsächlich. Ihrer sieht viel niedlicher aus. Und natürlicher. Ich bekomme rote Ohren.
»Die Vorlagen muss man wirklich ganz genau nachschneiden«, erklärt die andere Mutter. Sie bleibt nett und schaut mich nachsichtig an.
»Aber die Schere ist doch so groà und die Zacken so klein«, sage ich kleinlaut.
»Da muss man eine Nagelschere nehmen«, pariert die andere ungerührt. »Mit der Nagelschere - das geht prima!«
Ich starre sie ungläubig an.
Sie sind nicht böse, als ich aus der Bastelgruppe wieder ausscheide.
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Auch mein zweites Kita-Projekt geht in die
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