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Mutterschuldgefuehl

Titel: Mutterschuldgefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Hartmann
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eine Bestrafung und was ist angemessen?
    Je nachdem, wie unterschiedlich die Einstellungen der Mütter sind, wie streng sie ihre Kinder erziehen und welche Strafmethoden, wenn überhaupt, ihnen als recht und billig gelten, werden hier Mütter ganz schnell wütend aufeinander. Nicht, dass es auf dem Spielplatz oft zum offenen Streit käme. Nein, da gibt es viel lieber zornige Blicke unter gesenkten Köpfen und verkniffene Münder. Und Mütter, die sich wütend die Haare aus dem Gesicht pusten wie schnaubende Pferde. Frauen zerren Kinder voneinander weg oder tragen sie an die andere Ecke des Spielplatzes. Nur im Extremfall gibt es einen offenen Streit, in dem man sich dann vorwirft, das Kind »nicht im Griff zu haben« oder aber ȟberzubemuttern«.
    Eine »Kind haut Kind«-Situation ist übrigens häufig das erste Mal von vielen, in denen sich Müttern laut gegenseitig beschuldigen, am üblen Verhalten ihrer Kinder schuld zu sein.
    Welche Ausmaße mütterliche Aggressionen nehmen können, wenn sie ihr Kind durch andere Kinder bedroht sehen, sehen wir im Internet in den zahlreichen Mütter-Foren, in der Frauen mit Kindern Alltagssituationen diskutieren. Das Internet garantiert bei Bedarf absolute Anonymität. Und dies lässt offenbar jegliche Hemmungen fallen. Es ist wirklich erschreckend, wie hämisch und aggressiv Frauen mit Kindern gegen andere Frauen mit Kindern werden können, wenn sie sich unentdeckt wähnen. Ungeachtet aller Beschwörungen von Psychologen, Kleinkinder ihre Kämpfe untereinander
alleine austragen zu lassen, wollen einige Mütter offenbar viel lieber mitmachen. Häufiges Motiv der charmanten Wortbeiträge ist, die Mutter verprügeln zu wollen, deren Kleinkind andere Kinder auf dem Spielplatz haut und die ihr Kind nicht ausreichend bewacht oder nicht ausreichend züchtigt. Opfermütter sinnen auf Rache - die betreffende Mutter soll bluten! Andere drohen, das Täterkind selbst zu schlagen, sollte es ihnen einmal unter die Finger kommen. Ab und an schafft es eine wütende Mutter auch mal in die Zeitung, wie diejenige Frau, die ein fremdes Kind mit Brennnesseln peitschte, weil dieses ihr Kind geschubst hatte. Das alles ist recht paradox, beklagen die Mütter doch eigentlich den Gebrauch von Gewalt.
    Bin ich die Einzige, die bei diesem Gebaren vor Entsetzen erschauert? Mich stressen die Aggressionen unter den Kindern, aber die Wucht der Aggressionen unter den Müttern geht mir an die Substanz. Der Blick ins Internet gibt mir den Rest. Wer sind diese Frauen, die anderen Kindern und Müttern Prügel androhen? Sitzt eine von ihnen vielleicht mitten unter uns? Argwöhnisch betrachte ich die Mütter im Kurs. Sie sehen so nett aus. Könnte die da so etwas machen oder jene dort drüben? Wo sind die wandelnden Zeitbomben? Wie weit gehen Mütter, wenn sie ihre Kinder bedroht sehen? Oder - schießt es mir heiß durch den Kopf - sind wir alle kurz vor dem Wahnsinn, nur einige von uns haben noch nicht das Chatten entdeckt?
    Warum sind Mütter gegen andere Kinder und Mütter so aggressiv? Ist es mehr als der natürliche Beschützerinstinkt? Ist da vielleicht die eine oder andere ängstliche oder ehrgeizige Mutter, grüble ich, die in anderen Kindern nicht mehr harmlose und notwendige Spielkameraden sieht, sondern Konkurrenten, die sich durch ihr aggressives Auftreten Wettbewerbsvorteile verschaffen wollen? Die ihr Kind einschüchtern und vom Lernen abhalten? Zum lebenslangen Opfer abstempeln? Wir haben sie ja alle mehr oder weniger im Kopf, die Mahnungen und Hinweise, dass gerade die ersten fünf Jahre über das lebenslange Schicksal unserer Kinder entscheiden. Wir alle wollen glückliche Kinder. Wir alle
sollen das perfekte Kind in einem perfekten Heim zu einem perfekten Erwachsenen mit perfekter Karriere und optimal ausgebildeten Synapsen heranziehen. Können da noch alle verkraften, dass ihr Kind nicht nur von Anfang an im Wettbewerb mit anderen Kindern steht, sondern auch von ihnen bedroht wird?
    Allmählich bekomme ich Angst vor Frauen mit Kindern. Sie scheinen mir unberechenbar. Auch davon hatte mir meine Mutter gar nichts erzählt. Natürlich gab es vor dreißig Jahren erboste Mütter, wenn die Kinder aufeinander losgingen. Doch wurde nicht von den Müttern erwartet, ihr Kind lückenlos zu bewachen. Zwar verabredeten sich Frauen mit Kindern, aber es gab noch keine

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