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Muttersohn

Muttersohn

Titel: Muttersohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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die Hand und ging ihnen voran zum Ausgang. Das Tor rollte zur Seite. Draußen auf der Rampe drehte sich Katze noch einmal um, riss den rechten Arm in die Höhe, drehte sich wieder, sprang von der Rampe hinaus und landete gelenkig und geschickt auf dem kiesigen Grund. Dann drehte er sich wieder und rief: Percy, komm! Dabei hob er den rechten Arm und, was er links noch hatte, auch.
    Percy zögerte. Katze rief: Ich fang dich auf.
    Percy sagte: Später. Und verließ die Rampe über die Treppe. Drunten noch einmal ein Händedruck.
    Katze sagte zu Massimo: Pass auf auf ihn. Wir brauchen ihn.
    Massimo parodierte soldatischen Gehorsam und sagte: Zu Befehl.
    Und zu Percy: Pass auf den Hochlenker auf.
    Percy sagte: Du auch.
    Katze lachte. Dann rief er ins Haus hinein: Robespierre, Berija.
    Die Gerufenen kamen sofort heraus, Katze sagte: Gebt unserem Kandidaten eine kleine Vorstellung.
    Die zwei wie EIN Mann: Yes, Sir! Und sprangen, wie vorher Katze, herunter, gingen zu den Motorrädern, einer startete eine Maschine, der andere setzte sich auf den Sozius. Katze sagte: Komm. Und ging voraus, ums Haus herum. Da stand am Ende einer asphaltierten Bahn eine Schaufensterpuppe. In Männerkleidung. Man sah sie von hinten. Die zwei auf dem Motorrad bogen um das Haus herum, stoppten, schauten zu Katze herüber, der rief: Action! Die fuhren los auf dem asphaltierten Band, und als sie die Kleiderpuppe erreicht hatten, schoss der vom Rücksitz, ohne dass das Tempo gedrosselt wurde, die Puppe in den Nacken, dass der Kopf nach vorne fiel.
    Katze rief: Well done. Die beiden bogen her, stoppten und riefen wie mit EINER Stimme: Mission accomplished! Und kurvten zurück auf die Vorderseite. Das sind momentan noch unsere Spiele, sagte Katze. Dass es uns nicht langweilig wird, Percy. Wenn es mir langweilig werden würde, ich hätte nicht den Mut, das zu gestehen. Langeweile, Percy, das hat noch was von Sünde. Das Einzige, was Schrecken auslösen kann wie früher die Sünde. Dieser durch und durch gehende Schreck. Weißt du noch, Percy! Alles, was du bist, zittert, bebt. Todsünde, weißt du noch? Es gibt keine Sünde mehr. Nichts mehr, das dich, dein Dasein in einem einzigen Moment durch und durch empfinden lässt. Höchstens, wenn du gestehen müsstest: Du langweilst dich. Vor diesem Geständnis haben wir Angst. Lieber keine Durchempfindung des ganzen Daseins als zu gestehen: Du langweilst dich. Also brüllst du oder flüsterst du: Ich langweile mich nicht. Und schon bist du ein Heuchler. So nah bist du der Sünde doch gekommen. Du musst wieder heucheln wie früher. Langeweile, Percy, härter kannst du den Vertrag mit der Welt nicht kündigen. Die Jollynecks kennen keine Langeweile. Ich hoffe, wir haben auch dich nicht gelangweilt.
    Percy: Ach Katze, Bruder.
    Sie umarmten einander.
    Und Katze: Bis bald.
    Percy sah, dass Katze jetzt ein Bis bald erwartete. Er hielt sich die Augen zu und sagte: Führe mich nicht in Versuchung.
    Katze: Ich erlöse dich von allen Übeln.
    Percy sagte: Amen. Und zu Massimo: Komm doch.
    Im Auto sagte Massimo: Der liebt dich.
    Percy sagte: Ich ihn auch.
    Massimo erschrak.
    Als sie durch die Wälder zurückfuhren, sagte Massimo: Mussolini.
    Percy: Du tust Mussolini unrecht.
    Und Massimo: Gern.
    Aber dass das Leben eine Überanstrengung ist, sagte Percy, klingt verführerisch. Da denke man doch unwillkürlich daran, dass einem geholfen werden könne.
    Und Massimo wieder: Mussolini.
    Percy sagte: Austrian Action, Massimo. Das ist es. Hast du seinen Blick gesehen, ganz zum Schluss, als er uns noch einmal die Hand gab und das mit dem Hochlenker sagte. Massimo hatte nichts gesehen. Das ist typisch, sagte Percy. Er hatte diesen Blick nur, als er mir die Hand gab. Die hellblauen Augen. Und ein Blick aus Stahl. Glaub mir, Massimo, es war ein Blick aus Stahl und hellblau. Aber was meint er damit: Pass auf den Hochlenker auf!
    Das war für Massimo das Deutlichste überhaupt. Jeder Hochlenker ein Jollyneck. Wenn Percy nicht tut und sagt, was sie wollen, schickt er einen mit dem Hochlenker.
    Und, fragte Percy. Und der erledigt dich, sagte Massimo.
    Du schaust die falschen Filme an, sagte Percy.
    Ich komme aus Syracusa, sagte Massimo.
    Und Percy: Fahr nicht so schnell. Nach einem solchen Nachmittag darf man nicht sterben.
    Sondern?, sagte Massimo.
    Leben, sagte Percy.
    Aber das Leben ist eine Überanstrengung, sagte Massimo und drückte aufs Gas. Percy war nicht mehr dagegen, dass Massimo schneller fuhr, als er konnte. In Percy

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