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Muttersohn

Muttersohn

Titel: Muttersohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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kriegst einen Sponsor, der ein Jahr lang alle Kosten übernimmt, das Bike und so weiter. Wir schaffen jetzt wahrscheinlich den Sprung ins Fernsehen. Dein Fernsehmensch war schon zweimal da. Er nimmt inzwischen Stunden. Und findet, das Bike sei die Erlösung. Interessant, nicht wahr! Der lernt was dazu. Ja, du darfst staunen.
    Als Percy ausgestaunt hatte, sagte Katze: Weil bei uns nicht mehr gelogen wird, sag ich dir, dass ich auf dich warte. Egal was Zweistein über dich herausdenkt: Ich warte auf dich. Und ich sage dir: Wenn du nicht bei uns bist, schadest du uns. Du mit deiner Liebe. Du willst nicht gegen uns sein, aber du wärst gegen uns, wenn du so weitermachst. Im Fernsehen und so. Das dürften wir nicht dulden.
    Percy drehte sich auf dem Barhocker um, dass er zu den Männern und den Mädchen sprechen konnte, die jetzt überall herumsaßen. Darf ich, fragte er noch zu Katze hin. Der machte eine große Gestattungsgeste.
    Percy sagte: Ich bin nicht gegen euch. Ich bin nicht für euch. Und das liegt nicht an euch, sondern an mir. Alles, was ihr macht, ist richtig. Sonst würdet ihr es ja nicht machen. Dass ihr nicht gegen euch selbst seid, tut mir gut. Tut mir mehr gut als alles andere, was ich hier gehört habe. Ich möchte gern bleiben. Hier. Bei euch. Ich bin nämlich auch nicht gegen mich. Aber um bei euch bleiben zu können, müsste ich gegen alles sein. Ich bewundere eure Kraft. Gegen alles sein! Nichts ist euch recht, so wie es ist! Davon lebt ihr! Unverführbar! Das ist bewundernswert! Ihr werdet erfolgreich sein. Das spür’ ich. Nichts ist so erfolgreich wie der Hass, die Verachtung, die Niedertracht, das Böse. Wahrscheinlich werdet ihr die Weltherrschaft übernehmen. Wahrscheinlich habt ihr sie schon. Endlich böse sein dürfen. Alles verachten. Nichts gelten lassen. Außer euch selbst. Beliebter ist nichts. Damit müsst ihr euch abfinden, dass ihr ungeheuer beliebt und grenzenlos erfolgreich sein werdet, weil ihr alles runtermacht, was noch nach etwas aussieht. Natürlich wird die Welt fortfahren, sich zu produzieren. Werte und so weiter. Immer neue Götzen und Götzenbilder. Ihr werdet also immer etwas zum Runtermachen haben. Im Grunde seid ihr Teil der großen Kollaboration, die die Welt am Laufen hält. Die Welt wäre sich längst zum Kotzen langweilig, wenn es euch nicht gäbe: die Runtermacher, die Verächter. Was ich jetzt, in diesem Augenblick, sage, habe ich noch nie gesagt, noch nie gedacht. Es wird mir souffliert von euch. Von eurem Hass- und Verachtungsprogramm. Zum Glück habt ihr auch für mich Attraktionen. Dass nicht gelogen werden muss. Nicht mehr. Und dass die Wahrheit nur die gesellschaftlich lizensierte Lüge ist. Ach, viel bei euch klingt verführerisch. Und doch zweifle ich, ob ich zu euch kommen werde. Nein, ich weiß schon: Ich werde nicht kommen. Ich will nichts wollen müssen. Ich will kein Programm, das so tut, als sei die Welt ein Fehler, der korrigierbar ist. Ein Fehler, den man korrigieren müsse. Ich liebe euch. Euch alle. Und ich gebe zum Schluss noch zu, weil ich ja auch nicht lügen will: Ich hätte nichts dagegen, wenn ich euch durch Zustimmung ein bisschen verführen könnte. Darum sag’ ich euch auf, was mir einer gesagt hat, nämlich, wie es einem zumute ist, wenn man lieber dafür ist als dagegen. Hört euch das an, so hat es einer vor mehr als zweihundertfünfzig Jahren erlebt:
    Ich war von innerer Freude erfüllt, die ich am ganzen Körper empfand. Alles schien mir auf eine übernatürliche Art emporzudrängen, gleichsam in die Höhe zu fliegen und dort im Unendlichen in einem Mittelpunkt zu münden. Hier in dieser Mitte war der Ort der Liebe selbst. Von hier floss alles wieder aus und strömte hernieder; alles war ein unfassbares Kreisen um den Mittelpunkt, der die Liebe war.
    Adieu.
    Einige klatschten, einige pfiffen. Dann klatschten die Klatschenden lauter, als die Pfeifenden pfiffen. Tatsächlich siegte das Klatschen. Dann ein betäubender Trommelwirbel. Der beendete das Klatschen. Es war Zeppelin, der am Mischpult die Trommeln auslöste. Dann jäh eine Stille.
    Katze: Danke, Zeppelin. Ein toller Text, Percy. Leider nicht von dieser Welt. Und nicht für diese Welt. Die Welt ist nicht an EINEM Tag erschaffen worden. Wir alle sind nicht an EINEM Tag geworden, was wir jetzt sind. Percy, du musst gestatten, dass wir uns für dich interessieren. So unfertig du bist, du hast was. Das spür’ ich. Wir bleiben dir auf den Fersen.
    Er gab Percy und dann Massimo

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