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Muttertier @N Rabenmutter

Muttertier @N Rabenmutter

Titel: Muttertier @N Rabenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nives Mestrovic , Sonja Liebsch
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schlechter Erinnerung. Ich hatte richtig Spaß. Die Leute an meinem Tisch kannte ich vorher nicht, aber sie waren nett und mit Maxi hatte ich bis in die Puppen getanzt.
    Ja, die Hochzeit war schon super, aber das Erlebnis davor sitzt mir bis heute in den Knochen. Als ich die Karte mit dem niedlichen Hochzeitsbärenpaar bekam, rief ich sie direkt an, war total happy. »Vielen Dank für die Einladung. Du, ich komme sehr gern.«
    Maxis Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: »Die Einladung ist von Alex. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich dich nicht eingeladen.«
    Puh, Faust im Magen, Volltreffer, direkt in die Zwölf, k.o. Und das noch vor der ersten Runde. Ich war fix und fertig in dem Moment, und nicht nur, weil ich nah am Wasser gebaut bin, liefen mir langsam und unaufhaltsam Tränen die Wangen herunter. Ich musste mich zusammenreißen. Ich wollte nicht, dass es irgendjemand mitkriegt, schon gar nicht Maxi. Ihr plötzlicher Redeschwall, von wegen »Was für eine Freundin bist du? Ich bin seit über einem halben Jahr auf Jobsuche! Weißt du eigentlich, wie es mir ergangen ist …«, hatte mir die Chance gegeben, mich zu sammeln. Und ich weiß es noch wie gestern, ungewohnt kleinlaut sagte ich »Gut, wenn du nicht möchtest, dass ich komme, dann komme ich nicht.« Und sie, ganz Zwilling, ein Tsunami, erst riesige Wellen machen und dann »Ach Hanna, klar freue ich mich, wenn du kommst.« Also hatte sie wohl gemerkt, dass ich diesen riesigen Kloß schluckte, während sie mich zur Schnecke machte. Aber wir haben danach nie darüber geredet.
    Ihren Ausbruch kann ich heute nachvollziehen. Sie hatte ihr Studium mit einem Einser-Diplom abgeschlossen und war auf der Suche nach der ersten Stelle. Weil ich damals selbst tief im Examen steckte, bekam ich nicht so richtig mit, dass sie viele Bewerbungen schrieb, während der gewünschte Erfolg auf sich warten ließ. Natürlich hätte sie mich in dieser Zeit gebraucht, doch die Studienjahre hatten uns nicht nur gebietsmäßig auseinanderdriften lassen. Während ich in Norddeutschland studierte, hatte sie es in den Süden verschlagen. Dabei hatten wir nach dem Abitur unbedingt zusammenbleiben wollen, aber die Zentrale Vergabestelle für Studienplätze war halt kein Wunschkonzert. War es gut, sich von der besten Freundin abzunabeln? Heute weiß ich das nicht mehr so genau, denn Menschen, die einen so gut kennen, trifft man später nie wieder. Diese Erfahrung habe ich zumindest gemacht, und oft stimmt mich das sehr traurig.
    Ich bereitete mich auf die Hochzeit vor. Ich packte mein einziges feierliches Outfit ein, holte die restlichen Kröten von der Bank und machte mich auf den Weg. Damals gab es dieses Wochenendticket für 15 Mark, mit dem jedermann von Samstag bis Sonntag durch ganz Deutschland fahren konnte, in allen Zügen, außer leider in den schnellen ICs und ICEs. Egal, ich hatte schließlich mehr Zeit als Geld und wollte Maxi und ihrem Mann Alex ein nicht allzu mickriges Geschenk machen. Alles rechnen half nichts, ich musste wohl diese mehrstündige Reise auf mich nehmen.
    Zu ihrer Hochzeit kam ich sechseinhalb Stunden zu spät. Das Ja-Wort hatte ich verpasst, ebenso die Kaffeetafel und das hochzeitliche Fotoshooting im Kurpark. Pünktlich zur Eröffnung des Buffets stand ich im Saal. Ich hätte es wissen müssen. Da kam er schon wieder, der Tsunami, dieses Mal ganz in weiß, auf mich zugeschossen. Und es gab kein Entweichen! Ich versuchte, auch nicht zu widersprechen. Ich fügte mich einfach der Anweisung, mich zu setzen und zu essen. Ehrlich gesagt weiß ich bis heute nicht, warum sie damals so ausgerastet ist.
     
    Aus purer Angst vor dem Tsunami habe ich mich wohl in all den Jahren auch nicht mehr bei ihr gemeldet. Was Maxi jetzt machte? Ob sie auch Kinder hatte? Sie wollte immer eine ganze Fußballmannschaft. In einem großen Haus mit Garten. Und einen hübschen Mann als Trainer. Die perfekte Familienidylle eben.
    Was sollte ich ihr von mir schreiben? Sollte ich ihr von meiner genialen Wohnung in einer der Jugendstilvillen in der Staufenstraße erzählen? Von den großen Fenstern und diesen wunderbar alten Holzdielen, die bei jedem Schritt knarren? Sollte ich ihr von meiner 72 Jahre jungen Vermieterin Lieschen schreiben, der ›eschten‹ Gladbacherin, deren breites Gladbacher Platt mich regelmäßig vor neue Verständnisprobleme stellte? Was sollte ich ihr überhaupt schreiben? Es gab so viel zu erzählen, aber ich war mir unsicher. Eigentlich kannte ich

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