Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)
habe beschlossen, weitere Sitzungen bei mir abzusagen. Nach seinen bisherigen Erfahrungen mit den Entscheidungen seiner Frau sei es daher jetzt auch für ihn ratsam, die als hilfreich erlebten Gespräche bei mir zu beenden.
Pantoffelhelden gibt es leider mehr als genug. Gerade bei Paaren und Eltern erfahren meine Kollegen und ich fast immer, dass am Beginn oder auch in der Mitte einer Therapie einer der beiden Partner, meistens der Mann, gegen eine fremde Hilfe spricht und diese sogar abbricht. Allerdings ist es in Mutti-Familien eher die Frau, die sich vehement gegen fremde Hilfe wehrt, die sie als Gefährdung ihrer bisherigen absoluten und alleinigen Kontrolle erlebt.
Der Hirnforscher Gerhard Roth schreibt in seinem Buch »Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten«, dass Menschen sich aus sich selbst heraus nur so weit verändern können, wie es ihre unbewussten Beziehungsmuster erlauben. Aufgrund dieser in der Kindheit erworbenen und somit schon lange Jahre währenden Muster ist es im Erwachsenenalter schwer, allein an seiner Persönlichkeit grundlegende Veränderungen vorzunehmen. Dazu bedarf es daher immer eines starken externen Auslösers. Dieser wirkt sich auch nur dann positiv aus, wenn die Menschen wirklich selbst die Notwendigkeit der Veränderung spüren, ihre Persönlichkeitsstruktur den Wandel zulässt und sie genügend lange und genügend konsequent an der Veränderung arbeiten. Hilfreich ist in solchen Fällen immer ein kompetenter und gereifter Partner, wie zum Beispiel ein qualifizierter Erzieher, Lehrer oder Therapeut. Nur so gelingt es, dauerhaft die mit Schmerzen verbundenen Einsichten und Selbsterfahrungen zuzulassen und daraus für das eigene Leben reifere Schlüsse zu ziehen.
»Ich habe mich, wie ich damals wirklich glaubte, aus guten Gründen dafür entschieden. Im Nachhinein sehe ich, dass meine Entscheidung falsch war. Dafür bin ich verantwortlich. Ich werde versuchen, aus meinem Fehler zu lernen« – so etwas bringt eine Mutti nie und nimmer über ihre Lippen. Sie übt Macht aus, ohne Verantwortung für das Ergebnis der eigenen Entscheidungen und Handlungen zu übernehmen. Zugegeben: Fehler einzugestehen erfordert Stärke und Mut. Wer es aber schafft, seine Irrtümer anzuerkennen und zur Diskussion zu stellen, kann auch aus ihnen lernen. Nur so ist Entwicklung möglich.
Doch eine Diskussion wird von Muttis konsequent unterbunden. Ein offenes Feedback ist in ihrem System nicht vorgesehen. Denn Muttis haben schließlich nie gelernt, mit Kritik umzugehen. Die nicht vorhandene Fehlerkultur sorgt dafür, dass dieselben Fehler immer wiederholt werden – denn in Muttis Augen waren es ja gar keine. »Richtig ist, was ich richtig finde, und Fehler habe ich noch nie gemacht«: Ein solches selbstreferenzielles System ist kaum zu erschüttern.
Nur ein realistisches Feedback ihres Umfeldes könnte Muttis dazu bringen, zu ihrem Handeln zu stehen; nur so könnten sie lernen und sich verändern. Aber wenn aufrichtige und aufbauende Kritik schon den Kindern von klein auf verweigert wird, wie sollen sie das dann als Erwachsene können?
Vom Regen in die Traufe
Ein vierjähriges Kind sitzt am Küchentisch und malt. Es langweilt sich offensichtlich und kritzelt nur so nebenbei vor sich hin. Immer wieder versucht das Kind, die Aufmerksamkeit der Mutter zu bekommen: »Mami, Mami, schau mal, schau doch mal!«
Mit diesen Worten hält es der Mutter immer wieder neue schnell hingeworfene Bilder hin. Die Mutter ist in die Beantwortung ihrer E-Mails vertieft. Endlich gibt sie dem Drängen des Kindes nach, wirft aber nur einen flüchtigen Blick auf das Bild. »Prima, Schatz. Das hast du ganz toll gemacht«, sagt sie, legt mit gütigem Lächeln eine Handvoll Süßes auf den Tisch und wendet sich wieder ihrer Arbeit zu.
Das Kind stützt seinen Kopf in die Hände und kaut beiläufig an der Schokolade, ohne noch einmal zu stören. Es hat längst gelernt, dass es geboten ist, Mutti nicht zu verärgern. Die Buntstifte liegen nun ungenutzt auf dem Tisch.
Weil sie sich nicht die Zeit nimmt, richtig hinzuschauen, und weil sie ihre Ruhe haben will, gibt die Mutter dem Kind kein ehrliches Feedback. Wozu auch? Es sieht ja keiner zu, dem sie mit ihrer Aufmerksamkeit für das Kind demonstrieren könnte, wie fürsorglich sie ist. Muttis verhalten sich vor Publikum ganz anders als hinter der verschlossenen Wohnungstür.
In ihrem Buch »Die Geschlechterlüge« schreibt Cordelia Fine als Ergebnis der Forschungen der
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