Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)
Interesse der anderen zu handeln, kann nicht zwischen deren Wünschen und den eigenen unterscheiden. Mutti hält die Dinge am Laufen und sorgt für alle. Aber das, was sie in ihrer Machtfülle bestimmt, ist nicht automatisch auch gut für die anderen. Die Mutti ist eine Egozentrikerin, die gar nicht merkt, dass sie mit ihrer Macht sich meist selbst und anderen schadet. Muttis sind sich ihrer Mutti-Rolle meist nicht bewusst. Und für die Kinder und Ehemänner gibt es, selbst wenn sie den Mechanismus durchschauen, keinen Weg heraus aus der Mutti-Falle. Denn die Muttis haben vorgesorgt.
Die Beziehungsmeister
Als sie den Brief gelesen hat, springt Laura auf und stößt beide Fäuste in Richtung Decke. »Ja! Hurra!«, ruft sie. Hier steht es schwarz auf weiß: Unter vielen Bewerbern ist sie für ein Auslandsstipendium ausgesucht worden. Sie darf für ein Jahr in den USA studieren, mit der Aussicht auf Verlängerung.
Gleich greift sie zum Telefon, um ihrer Mutter voller Stolz die Nachricht zu überbringen. »Mama, ist das nicht toll?« Langes Schweigen in der Leitung. Dann: »Ja, mein Schatz, schön. Aber … aber dann sehe ich dich ja ganz lange gar nicht! Und was ist, wenn du dort drüben jemanden kennenlernst und gleich dort bleibst? Wenn du in den USA heiratest und Kinder bekommst? Dann würde ich die ja nur ganz selten sehen! Und ich kann gar nicht auf sie aufpassen, wenn du mal nicht da bist. Da habe ich mich so darauf gefreut, eines Tages meine Enkelkinder zu hüten … Und du wärst ganz auf dich allein gestellt …« Lauras geübtes Ohr erkennt sofort, dass ihre Mutter angefangen hat zu weinen.
Lauras Hochgefühl ist schlagartig verschwunden und macht einer dumpfen Leere Platz. Sie versucht, die Mutter zu beruhigen. »Es ist ja noch nicht so weit, wir können doch auch über den Ozean weg telefonieren und uns mailen. Ich bringe dir das Skypen bei. Und dass ich dort gleich jemanden heirate, also das sehe ich jetzt noch nicht. Ich komme bestimmt wieder. Mama, beruhige dich doch!«
Schlussendlich verspricht sie ihrer Mutter, sich das mit dem Auslandsstudium noch mal zu überlegen. Verwirrt fragt sie sich, ob sie mit ihrer Freude über das Stipendium falschgelegen hat. Vielleicht ist es wirklich keine so gute Idee?
Nicht nur die Gestaltung des privaten Lebensraums und der Lebensplanung liegt in den Händen der Muttis. Sie bestimmen auch die Beziehungen der Familie. Sie denken an Geburtstage, rufen regelmäßig alle Bekannten an, machen Treffen aus. Deutlich wird diese Rollenverteilung auch bei den sozialen Netzwerken im Internet. Eine Umfrage der Meinungsforschungsinstitute Forsa und ARIS im Jahr 2011 ergab, dass in Deutschland vier Fünftel aller Frauen, die das Internet nutzen, Mitglied einer Onlinecommunity sind, aber nur drei Viertel der männlichen User. Es sind also ein paar Millionen mehr Frauen als Männer, die in sozialen Netzwerken unterwegs sind. Dieser Befund verschärft sich, wenn man weiß, dass Frauen sich zudem deutlich länger in sozialen Netzwerken aufhalten als die eher wortkargen Männer. Hier steht es 5,5 Stunden zu 3,9 Stunden monatlich. Der Social-Media-Consulter Günter Jaritz braucht keine Zahlen, um diesen Umstand zu verdeutlichen: »Es reicht dafür schon die Beobachtung der Freunde und Bekannten, die gerade auf sozialen Netzwerken online sind. Der Großteil davon ist in der Regel weiblich.«
Aber nicht nur das eigene Netzwerk wird von Frauen gestaltet, sondern auch das der ganzen Familie. Bei Paaren ist es oft so, dass die Frau mehr Kontakt zu den Verwandten ihres Partners hat als er selbst oder dass sie ihn daran erinnert: »Du solltest mal wieder deine Mutter anrufen.«
Muttis nehmen Einfluss darauf, welches Familienmitglied mit wem in Kontakt kommt – und welche Kontakte unterbunden werden. Die Freunde des Mannes, die der Frau nicht passen, werden nicht eingeladen; wenn er seine Freunde zu treffen versucht, gibt es Knatsch, weil er die Partnerin allein lässt – aber mitkommen will sie auch nicht. Und die Männer? Sie sind zurückhaltend, oft ist auch Faulheit im Spiel, schließlich ist es einfacher, die Kontaktpflege der Partnerin zu überlassen. Sie haben vom Familienalltag keine Ahnung, der private Terminkalender wird von der Frau geführt. Wer sich bei einem verheirateten Mann erkundigt, ob er an einem bestimmten Tag für ein Treffen Zeit hat, erhält oft die Antwort: »Fragen Sie meine Frau!«
Bei den Kindern ist für Mutti die Kontrolle noch einfacher, hier kann sie
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