Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)
Dezember 2011: »Im süditalienischen Bari hat die Polizei einen Autofahrer angehalten, der in jeder Hand ein Telefon hielt – und daher keine Hand am Lenkrad. Auf die Frage der Beamten, wieso er auf diese Weise Auto fahre, habe der 43-Jährige geantwortet, er habe mit seiner Frau telefoniert, als seine Mutter auf dem anderen Telefon angerufen habe. Er habe bei keiner von beiden auflegen wollen.«
Das ist lustig. Und es spricht von völliger Abhängigkeit bis an die Grenzen der Selbstaufgabe. Aber geht es wirklich nur um die Rundumversorgung, für die ein Mann bereit ist, sein Leben nicht selbst zu gestalten?
Es dem Mann gemütlich zu machen – das ist nur der erste Schritt in der »Domestikation« des Mannes in einer Mutti-Beziehung. Hinzu kommt, dass er unter einem latenten schlechten Gewissen leidet. Ihm wurde erfolgreich ein ständig im Hintergrund arbeitendes Schuldbewusstsein eingeimpft, das immer dann anspringt, wenn es nicht so läuft, wie Mutti es will. Wenn zum Beispiel der Vater mit der Tochter im Dreck gespielt hat, ist Mutti unglücklich, weil sie jetzt schon wieder die Waschmaschine anwerfen muss. Wenn er abends noch mit ein paar Kumpels einen trinken gehen will, ist sie enttäuscht. Und wenn er lange arbeiten muss und sich deswegen am frühen Abend in der Bäckerei schnell noch zwei belegte Brötchen geholt hat, ist sie traurig, weil sie dann umsonst gekocht hat.
In all diesen Fällen braucht es gar nicht viel, um sein schlechtes Gewissen auf den Plan zu rufen. Ein leiser Seufzer, ein stilles Abwenden, ein hingeworfenes »Na ja, dann frier ich das Essen halt ein – schade« reichen völlig, um ihn daran zu erinnern, dass er seine Rücksichtspflicht mal wieder grob verletzt hat. Da muss er in den nächsten Tagen besonders zuvorkommend sein und sich umso mehr bemühen, in vorauseilendem Gehorsam das zu tun, was Mutti passt.
Bei der Partnerin funktioniert diese Konditionierung genauso, wie sie schon bei Mutti funktioniert hat: »Verbotenes« Verhalten wird aus Angst vor mütterlichen Interventionen vermieden, mit der Zeit werden diese Beschränkungen immer mehr verinnerlicht, zuerst noch vorrangig in Form von Erinnerungen an das elterliche »Nein«, dann immer stärker als integrierter Bestandteil des eigenen Gewissens. Das Ziel der Muttis ist erreicht, wenn der Mann tief in seinem Inneren Scham empfindet, wenn er sich etwas »Falsches« von seiner Frau wünscht. Im Lauf der Zeit verdrängt er sogar, dass er diese Wünsche überhaupt hatte.
Bei Streit droht dauerhafter Psychokrieg. Die meisten Männer halten diese Spannung nicht aus. Bald entschuldigen sie sich und tun in Zukunft, was Mutti sagt. Nur wenige trauen sich, in einer solchen Situation ihren Standpunkt weiter zu vertreten. Denn ohne die Liebe der Frau fühlen sich diese Männer verloren in der Welt, da sie in ihren Herzen große Kinder geblieben sind.
Dabei ist es genau das, was die Männer tun müssten, um das Mutti-System, in das sie verstrickt sind, zu zerreißen: herausfinden, was sie selbst sein wollen, was sie selbst denken, was sie selbst tun wollen – und dann den Muttis um sich herum die Stirn bieten. Streiten! Die ganze harmonische Scheinwelt aufs Spiel setzen, um sich selbst nicht aufzugeben. Männer, die aus dem Mutti-Gefängnis ausbrechen wollen, müssten bereit sein, alle Annehmlichkeiten, die es mit sich bringt, zu opfern. Sie müssten den Spieß umdrehen!
Die Männer, die in der Mutti-Falle stecken, stecken ja gerade deshalb darin, weil sie über die zum Ausbruch nötige Ichstärke nicht verfügen. Von ihnen zu fordern, dass sie mal eben ihren Opferstatus durchbrechen sollten, ist zynisch. In den vielen Jahren meiner therapeutischen Praxis habe ich aber die Erfahrung gemacht, dass viele Männer mithilfe anderer Männer, seien es Freunde oder eben professionelle Helfer, es nach und nach schaffen können, den Ring der Muttis, der sie knechtet und einengt, zu durchschlagen. Nur: Es dauert meistens Jahre! Und es kracht dabei gewaltig.
Solange er kuscht, muss der Mann diesen hohen Preis nicht bezahlen. Doch die Scheinharmonie ist teuer. Sehr teuer! Meiner Rechnung nach ist sie noch deutlich teurer als der Krieg gegen die Mutti-Herrschaft.
Daumenschrauben
Eric führte ein Leben, um das ihn viele beneideten: Er hatte eine wichtige Position bei einer großen Versicherung. Sein Einkommen ermöglichte ihm ein großzügiges Haus am Stadtrand, von dem viele seiner Bekannten nur träumen konnten. Neid weckte auch das schicke
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